Confusion
ist. Welch ein Zufall, Sergeant!«
»Was ist ein Zufall, Sir?«
»Stellt Euch nicht dumm. Genau in dem Moment, da Ihr Pläne für ein neues Leben als stellungsloser Zivilist machen müsst, haben sich Eure beiden Haupturheber von Ablenkungen und überflüssigen Komplikationen – Jimmy und Danny – absentiert, und Euch bietet sich die Gelegenheit, jemanden zur Frau zu nehmen.«
» Nehmen ist in diesem Falle das passende Wort, Sir, da sie das rechtmäßige Eigentum des Grafen Sheerness ist.«
»Warum sollte uns das bekümmern? Wenn sich Jimmy und Danny auf der Suche nach einem Wildschwein davonmachen, warum können wir Euch dann nicht eine Frau stehlen?«
»Wen meint Ihr mit wir, Sir?«
»Ich bin fest dazu entschlossen!«, verkündete Barnes und schob die Ecke der Seite in den Strauch, sodass sie Feuer fing. »Euch in stabile und glückliche häusliche Verhältnisse zu bringen soll das A und O meiner Strategie sein, mit der ich die Black Torrent Guards zusammenhalte! Außerdem wird das eine ausgezeichnete Übung.«
Der Weg nach Pretzsch
APRIL 1696
Gott hat sich für die Welt entschieden, welche die vollkommenste, das heißt diejenige, die an Hypothesen die einfachste und zugleich an Phänomenen die reichste ist.
LEIBNIZ
»Als allerletztes Schicksal hätte ich mir je träumen lassen, dass zwei unverheiratete und kinderlose Jammergestalten am Ende einen Dienst zur Beförderung von Kindern von Stadt zu Stadt betreiben«, sagte Daniel.
Während die Kutsche aus Leipzig hinaus die Landstraße nach Wittenberg und (später) die sehr, sehr dürftige Straße nach Pretzsch entlanggerumpelt und -geschlingert war, hatte er sich wie ein großer Haufen Sand allmählich gesetzt, hatte Kissen gepackt und sie unter die knochigsten Teile seines Körpers gestopft und die Füße gegen den unteren Teil der Bank gestemmt, auf der sein Mitfahrer Gottfried Wilhelm Leibniz saß.
Wenn Daniel ein Haufen Sand war, so war Leibniz – gegen lange Reisen mit der Kutsche sehr viel abgehärteter als Daniel – ein Obelisk. Er saß kerzengerade, als wäre er bereit, eine Feder in ein Tintenfass zu tauchen und eine Abhandlung niederzuschreiben. Er hob die Augenbrauen und blickte neugierig auf Daniel, der nur noch ein paar Grad von einer liegenden Position entfernt war und dessen eines Knie praktisch in Leibniz’ Unterleib klemmte.
Daniel hatte seinen Ohren nicht getraut, als die Herzogin von Arcachon und Qwghlm ihn gebeten hatte, Johann nach Leipzig zu bringen. Aber er hatte es getan, nur um dann festzustellen, dass Leibniz dort und nicht in Hannover war, wo Daniel ihn erwartet hatte. Nach Hannover und Berlin war Nachricht gelangt, dass Eleonore, die Herzoginwitwe, im Witwenhaus in Pretzsch schwer erkrankt war. Man rechnete nicht mit ihrem Überleben; und wenn sie verschied, wurde jemand gebraucht, um eine trauernde Prinzessin Caroline zu ihrer neuen Pflegefamilie am kurfürstlichen Hof in Berlin zu begleiten. Und wer war für diese Aufgabe ausgewählt worden? Leibniz.
Leibniz dachte ein paar Augenblicke lang darüber nach, dann meinte er: »Sagt, wie geht es dieser Tage eigentlich dem jüngsten Sohn des Herzogs von Parma? Ist er von diesem schlimmen Ausschlag genesen?«
»Da bin ich überfragt, Sir. Ich kenne nicht einmal den Namen des Herzogs von Parma, ganz zu schweigen vom Gesundheitszustand seines jüngsten Sohnes.«
»Das war bereits klar«, sagte Leibniz, »denn er hat keine Söhne – nur zwei Töchter.«
»Allmählich komme ich mir vor wie der schwachköpfige Gesprächspartner in einem sokratischen Dialog. Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Wenn Ihr den Herzog von Parma nach Leibniz fragen würdet, würde er vielleicht vage den Namen erkennen, aber er wüsste nichts von Naturphilosophie, und es ist natürlich absurd anzunehmen, er würde mir oder Euch eine seiner Töchter auf einer Reise anvertrauen. Fast alle Adeligen sind wie der Herzog von Parma. Sie wissen nichts von uns und machen sich nichts aus uns, und wir wissen wenig von ihnen.«
»Wollt Ihr etwa behaupten, ich wäre einer subjektiven Wahrnehmung zum Opfer gefallen?«
»Ja. Die einzigen Adeligen, die uns und unseresgleichen auf eine Meile an sich heranlassen, sind die überaus sonderbaren wenigen (Gott sei ihnen gnädig!), die sich für Naturphilosophie interessieren. Früher waren sie zahlreicher, doch mittlerweile kann ich sie an den Fingern einer Hand abzählen: Eliza, Sophie und Sophie Charlotte. Das sind die Einzigen, mit denen wir in Gesprächskontakt
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