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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Geld sorgt dafür, dass das alles irgendwie funktioniert oder, wenn es falsch gehandhabt wird, dass alles zusammenbricht. Und deshalb sind Münzen der Aufmerksamkeit von Gelehrten ebenso wert wie Zellen, Kegelschnitte und Kometen.«
    Leibniz räusperte sich. »Der Weg nach Berlin ist lang«, sagte er, »aber so lang nun auch wieder nicht.«
    »Der Doktor beschwert sich über unsere Abschweifung«, sagte Daniel. »Ich sprach von dem neuen Institut in Boston.«
    »Ja. Welcher Art ist seine Arbeit?«
    Die Frage erwischte Daniel auf dem falschen Fuß; was eigenartig und peinlich war. Er wusste nicht recht, wo er beginnen sollte. Doch der Doktor, der Caroline viel besser kannte, sagte: »Wenn Ihr gestattet«, und Daniel überließ ihm dankbar das Wort.
    Leibniz sagte: »Menschen wie Eure Hoheit, die ihren Gedanken nachhängen und über manches nachsinnen, geraten leicht in bestimmte Labyrinthe des Geistes – Rätsel, was das Wesen von Dingen angeht, die einen ein ganzes Leben lang verwirren können. Vielleicht seid Ihr schon einigen begegnet. Eines ist die Frage des freien Willens im Gegensatz zur Prädestination. Das andere ist die Komposition des Kontinuums.«
    »Die was des was?«
    »Einfach Folgendes: Wenn Ihr mit beobachtbaren Dingen um Euch herum, wie etwas dem Kirchturm dort, beginnt und sie in ihre Bestandteile, nämlich Ziegelsteine und Mörtel, aufteilt, und diese wiederum
in ihre Bestandteile und immer so weiter, wohin gelangt Ihr dann am Ende?«
    »Zu Atomen?«
    »Manche glauben das«, sagte Leibniz durchaus liebenswürdig. »Jedenfalls verhält es sich zufällig so, dass nicht einmal die Principia Mathematica von Mr. Newton solche Fragen zu klären versuchen. Er vermeidet diese beiden Labyrinthe völlig – eine kluge Entscheidung! Denn er widmet sich dem Thema freier Wille im Gegensatz zur Prädestination nur dergestalt, dass er deutlich macht, dass er an Ersteren glaubt. Und Atome behandelt er gar nicht. Es widerstrebt ihm ja sogar, sein Werk über die Mathematik des Infinitesimalen preiszugeben! Aber glaubt nicht, er interessiere sich nicht für solche Dinge. Das tut er durchaus, und er arbeitet Tag und Nacht daran. Genau wie ich, und genau wie Dr. Waterhouse es in Massachusetts tun wird...«
    »Arbeitet Ihr getrennt an diesen Problemen, oder...«
    »Eine überaus wichtige Frage, mit der ich hätte rechnen müssen«, sagte Leibniz und klatschte in die Hände. »Ich hätte erwähnen sollen, dass sowohl Newton als auch ich den Verdacht hegen, dass diese beiden Probleme miteinander zusammenhängen. Dass es sich nicht um zwei getrennte Labyrinthe, sondern um ein einziges, großes mit zwei Eingängen handelt! Ihr könnt auf beiderlei Weise hineingelangen; aber indem Ihr das eine Problem löst, löst Ihr auch das andere.«
    »Wir wollen einmal sehen, ob ich Euch richtig verstehe, Doktor. Ihr glaubt, wenn Ihr die Zusammensetzung des Kontinuums versteht – also Atome und das alles...«
    Leibniz zuckte die Achseln. »Oder Monaden. Aber bitte fahrt fort.«
    »Wenn Ihr das verstündet, würde es irgendwie die Frage des freien Willens im Gegensatz zur Prädestination klären.«
    »Mit einem Wort: Ja«, sagte der Doktor.
    »Atome verstehe ich besser«, begann Caroline.
    »Nein, das bildet Ihr Euch nur ein«, sagte Leibniz.
    »Was gibt es da groß zu verstehen? Es sind winzige, harte Materieteilchen, die gegeneinanderstoßen...«
    »Wie groß ist ein Atom?«
    »Unendlich klein.«
    »Wie können sie einander dann berühren?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Angenommen, sie kommen aufgrund irgendeines Wunders doch miteinander in Kontakt, was passiert dann?«

    »Sie prallen voneinander ab.«
    »Wie Billardkugeln?«
    »Genau.«
    »Aber Eure Hoheit, habt Ihr eine Ahnung, wie kompliziert eine Billardkugel beschaffen sein muss, um abzuprallen? Es ist ein Fehlschluss zu glauben, jene ursprünglichste Einheit, das Atom, könne irgendeine der Myriaden von Eigenschaften eines polierten, sphärischen Stücks Elefantenstoßzahn aufweisen.«
    »Na schön, aber manchmal kleben sie auch zusammen und bilden mehr oder weniger durchlässige Ansammlungen...«
    »Wie funktioniert dieses Zusammenkleben? Nicht einmal Billardkugeln können das!«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Doktor.«
    »Das hat keiner, also macht Euch deshalb keine Vorwürfe. Nicht einmal Newton ist trotz aller Mühe dahintergekommen, wie Atome funktionieren.«
    »Also beschäftigt sich Mr. Newton auch mit Atomen?«, wollte Caroline wissen. Die Frage richtete sich an

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