Confusion
kommen. Sie haben den Wunsch, ihre Kinder der Naturphilosophie auszusetzen.Vor die Wahl zwischen unseresgleichen, Daniel, und irgendeinem verfügbaren – das heißt, arbeitsscheuen – Faktotum, Onkel, Handlanger oder Priester gestellt, der dazu neigen würde, das Kind unterwegs zu ignorieren, molestieren, korrumpieren oder konvertieren, würde eine solche Frau sich unfehlbar für den Naturphilosophen entscheiden; denn das Schlimmste, was wir tun werden, ist, sie langweilen.«
»Ich glaube, das habe ich gerade mit dem kleinen Johann getan«, sagte Daniel. »Ich denke, er dürfte besser auf einen Lehrplan ansprechen, der sich ganz und gar auf Waffen und ihren Gebrauch konzentriert. Ich glaube, ich habe mehr Ringergriffe von ihm gelernt als er Philosophie von mir.«
»Das dürfte Euch zustatten kommen, wenn Ihr nach Massachusetts geht«, sagte Leibniz ernst, »denn die Indianer, heißt es, seien allesamt wackere Ringer.«
»Nachdem er mit Jean Bart an Deck eines Kriegsschiffes gefochten hat, war es ein jämmerliches Schicksal, mehrere Tage lang mit meinesgleichen in einer Kutsche eingesperrt zu sein.«
»Pfui! Ein langsamer, entsetzlicher Tod durch Wundstarrkrampf ist das jämmerliche Schicksal derer, die zu viel mit scharfen Waffen spielen«, sagte Leibniz. »Eliza weiß das. Ihr habt ihr sehr geholfen, auch wenn Johann noch zu jung ist, als dass er es zu schätzen weiß! Sagt mir, hat er wirklich keinerlei Neugier gezeigt?«
»Der törichte Knabe hat mir eine günstige Gelegenheit verschafft, indem er zu viel über Mörser und Kanonen redete«, gab Daniel zu. »So kamen wir auf Parabeln. Ich ließ die Kutsche auf einem Feld zwischen Münster und Osnabrück halten, und wir schlugen einige Bauern in die Flucht, indem wir einen systematischen Versuch durchführten, zuerst mit Pfeil und Bogen, dann mit Feuerwaffen.«
»Seht Ihr? Das wird er nie vergessen! Jedes Mal, wenn Johann eine Schusswaffe sieht – in dieser umnachteten Welt also alle fünf Minuten -, wird er wissen, dass sie ohne Mathematik nutzlos ist.«
»Wie weit ist es noch bis zu diesem Pretzsch?«
»Ihr lasst Euch vom schlichten Stil des Ortes täuschen«, sagte Leibniz. »Seht, wir sind in Pretzsch, und das schon seit einigen Minuten.« Er schob sein Fenster auf, legte eine Hand auf seine Perücke, damit sie nicht unter einem Radreifen endete, und steckte den Kopf hinaus. »Der Witwensitz liegt direkt vor uns.«
»Worüber werdet Ihr mit der Waise reden«, fragte Daniel, »einmal angenommen, sie teilt nicht Johanns Neugierde auf Waffen?«
»Über alles, worüber sie reden möchte«, sagte Leibniz. »Schließlich ist sie eine Prinzessin und wird eines Tages mit ziemlicher Sicherheit eine Königin sein.« Er betrachtete Daniel skeptisch.
»Na schön«, sagte Daniel und rührte sich. »Ich werde mich gerade hinsetzen.«
Der Tross bestand aus drei Kutschen, einem Gepäckwagen und mehreren berittenen Dragonern. Letztere waren von Berlin geschickt worden, das heißt, sie waren brandenburgisch/preußisch. Mit diesen Berlinern hatte sich Leibniz in Leipzig getroffen, und zwar nur etwa eine Stunde nachdem Daniel – der gerade erst Johann im Haus vom Goldenen
Merkur abgesetzt und seinen Wechsel eingelöst hatte – Leibniz aufgespürt hatte. Der Zusammenschluss dieser drei separaten Gruppen stand unter dem Kommando eines Brandenburger Adeligen, der zugleich Hauptmann der Dragoner war. Er beharrte darauf, dass man zügig die Elbe überqueren und noch vor Einbruch der Nacht auf brandenburgisches Territorium gelangen müsse, damit nicht irgendwelche Sachsen der Versuchung erlägen, die Dinge zu komplizieren. Daniel fand das ein bisschen lächerlich, doch Leibniz hielt es für vernünftig. Denn Caroline mochte eine verarmte Waise sein, die irgendwo am Ende der Welt wohnte, aber sie war trotzdem eine Prinzessin, und eine Prinzessin in seiner Obhut zu haben – ob freiwillig oder unfreiwillig – bedeutete, Macht zu besitzen. Und obwohl August der Starke, der Kurfürst von Sachsen, ein viel besserer Mensch war als sein verstorbener Bruder, war seiner raffinierten Intrigen kein Ende; wer weiß, vielleicht würde er sich Caroline unter irgendeinem Vorwand schnappen und sie mit irgendeinem Zarewitsch verheiraten. Und so ging die Abholung Carolines und ihres einen Gepäckstücks am Witwensitz von Pretzsch mit einer Umstandslosigkeit vonstatten, wie sie normalerweise Entführungen und durchbrennenden Liebespaaren vorbehalten blieb. Das machte es der
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