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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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ausgezeichnet!« Dann fuhr sie für die anderen Anwesenden fort: »Das ist in der Tat derselbe Dr. Leibniz, der mir den Zahn geschenkt hat.«
    Eine Welle von Fehlübersetzungen und Vermutungen durchlief den Auflauf von Preußen, Moskowitern, Tataren, Kosaken, Zwergen, Holländern, orthodoxen Priestern et cetera, der sich hinter ihnen gebildet hatte. Sophie Charlotte klatschte in die Hände. »Man bringe den Zahn des Leviathan oder was immer es war!«
    »Ich glaube eher, eine Art riesiger Elefant, aber mit vielen Haaren am Körper«, warf Leibniz ein.
    »Ich habe solche Tiere im Eis eingefroren gesehen«, sagte Peter Romanow. »Sie sind größer als Elefanten.«
    George Louis war von seinem Auftrag zurückgekehrt, drückte sich am hinteren Ende des Menschenauflaufs herum und suchte ein Durchkommen, ohne in eine Schubserei mit irgendwelchen Kosaken zu geraten. Die Menge teilte sich, um einen von Sophie Charlottes Lakaien durchzulassen, der mit einem Tablett in der Hand hereinglitt. Auf dem Tablett lag ein Samtkissen und auf diesem ein Stein, der noch in halb zerrissenes Einwickelpapier eingeschlagen war. George Louis ergriff die Gelegenheit, bezog eine angemessene Position neben seiner Mutter und nahm einen Gesichtsausdruck an, der besagte, Ich bin bereit, vorgestellt zu werden und mich köstlich zu amüsieren, während ich bei dieser Inkognito-Geschichte mitspiele, aber alle anderen – zumal Peter – betrachteten stattdessen den Stein. Er war rötlich-braun, etwa von der Größe einer Melone, aber ungefähr gibraltarförmig, mit einer flachen, winkeligen Kaufläche auf der Ober- und einem System wurzelförmiger
Beine auf der Unterseite. An den äußeren Rändern von Peters Gefolge kam es zu einigen Grobheiten, während diverse pelzige, muskulöse Steppenbewohner um die besten Plätze rangelten. Sie schienen irgendwie zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass »Zahn des Leviathan« ein blumiger Spitzname für einen sehr großen Diamanten war. Männer, die unbedingt einen Blick von dem Schatz erhaschen wollten, stießen mit anderen zusammen, die dies schon getan hatten und bestürzt zurückprallten. Unterdessen war Leibniz von Sophie nach vorn geschubst worden, die zwar nichts davon hielt, ihre Lakaien aufs Rad zu flechten, sich aber durchaus nicht zu schade dafür war, mit ihren edelsteingeschmückten Knöcheln rasche Hiebe auf Hintern oder Niere auszuteilen. Leibniz schob sich bis an den Zahn heran und bekam den Rand des darunterliegenden Tabletts zu fassen, das fast zu schwer war, als dass der Diener es hochhalten konnte. Sophie Charlottes himmlisches Gesicht strahlte ihn an. Daneben befand sich die Uhrenkette des Zaren. Leibniz begann den Kopf zurückzulegen und hörte erst wieder auf, als er auf die Unterseite von Peters Kinn schaute. Seine Perücke verrutschte, und Sophie knuffte ihn gegen den Hinterkopf, um sie geradezurücken, und sagte: »Der Doktor beschäftigt sich sehr mit einem naturphilosophischen Projekt, das mein Sohn nicht versteht, das aber wunderbare Ergebnisse zeitigen dürfte, falls sich irgendein weiser Monarch fände, der ihm unendlich viel Geld zur Verfügung stellt.«
    Natürlich zuckte Leibniz darob zusammen, und George Louis schmunzelte. Doch Zar Peter dachte sehr ernsthaft darüber nach, als wäre unendlich viel Geld für ihn eine alltägliche Summe, mit der er in seinen Haushaltssitzungen ständig um sich warf.
    »Könnte es Schiffe verbessern?«
    »Schiffe und vieles andere, Herr Romanow.«
    Das gab den Ausschlag; Peter schleuderte einen furchtbar bedeutsamen Blick auf irgendeinen Berater, der einen halben Schritt zurückfuhr und dann einen raubtierhaften Blick auf Leibniz’ Gesicht heftete. Dies geklärt, rauschte der Zar an dem Doktor vorbei, um George Louis zu begrüßen.

BUCH VIER
    Bonanza

Japan
    MAI 1700
    Dappa tauschte ein paar Worte auf Malabari mit drei schwarzen Matrosen, die gerade das Lotblei eingezogen hatten, drehte sich dann zum Poopdeck um und warf van Hoek einen gewissen Blick zu. Der Kapitän streckte eine übel zugerichtete Hand in Richtung Bug aus und ließ sie dann fallen. Zwei Filipino-Seeleute schwangen schwere Holzhämmer, mit denen sie zwei Klampen entfernten, und der Bug des Schiffes stieg, vom Gewicht der Anker befreit, leicht nach oben. Deren Ketten rumpelten einen Moment lang durch Ankerklüsen, was sich wie das Räuspern des Leviathan anhörte. Auf die Ketten folgten weiche Taue aus Manilahanf, die eine ganze Weile mit zunehmender Geschwindigkeit über die

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