Confusion
begann sie durchzugehen: Männer, Frauen, Kinder und ganze Familien, gekleidet nach der vor drei Generationen herrschenden Mode. »Als die Religionskriege schließlich zu Ende gingen, begannen beide Familien, da sie nichts Rechtes zu tun wussten, Kinder zu zeugen. Eine Generation später begannen diese sich zu heiraten. Ich mag mich in einigen Einzelheiten irren, aber wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, passierte Folgendes: Der Spross der Linie de Gex, Francis, heiratete um 1640 eine gewisse Marguerite Diane de Crépy, und sie bekamen hintereinander mehrere Kinder, dann zwölf Jahre lang keines, und dann kam es zu einer überraschenden
Schwangerschaft. Sie endete mit dem Tod von Marguerite nur wenige Stunden nach der Geburt eines Knaben mit Namen Édouard. Der Vater fasste Ersteres als Opfer an den Allmächtigen und Letzteres als Geschenk von Ihm auf und gab den Knaben, da er sich für zu alt hielt, um ihn allein großzuziehen, auf eine Jesuitenschule in Lyon, wo man feststellte, dass man es mit einer Art Wunderkind zu tun hatte. Er trat schon in außergewöhnlich jungen Jahren der Gesellschaft Jesu bei. Heute ist er der Beichtvater der de Maintenon.«
Rossignol hatte das Porträt eines schlanken jungen Mannes im Gewand eines Jesuiten gefunden, der ihn und Bart auf eine Weise von der Leinwand anfunkelte, die vermuten ließ, dass er sie tatsächlich in diesem abgelegenen Flur stehen sah und von beiden nicht viel hielt.
»Ich habe von ihm gehört«, sagte Bart und schob sich aus der Gesichtslinie des Porträts.
Rossignol fand ein älteres Porträt einer dicklichen Frau in einem blauen Kleid. »Die Schwester von Francis de Gex hieß Louise Anne. Sie heiratete einen gewissen Alexandre Louis de Crépy. Sie hatte zwei Knaben, die beide zur gleichen Zeit an den Pocken starben, und zwei Mädchen, die die Krankheit überstanden.« Er zog eine Gouache von zwei der Pubertät entwachsenen Mädchen aus dem Stapel: eine älter, üppiger, schöner als die andere, die ihr über die Schulter lugte, als versteckte sie sich hinter ihr. »Die ältere von beiden, Anne-Marie, die von der Krankheit keine Narben zurückbehielt, heiratete den Comte d’Oyonnax, der viel älter als sie war. Anne-Marie war seine zweite oder dritte Frau. Dieser Oyonnax war ursprünglich ein Kleinadeliger gewesen, aber selbst dieser bescheidene Rang hatte an seinem Verstand und seinem Vermögen gezehrt. Die Ländereien seiner Vorväter lagen genau an der Schwelle zur Franche-Comté.«
»Davon habe sogar ich gehört!«
»Wirklich, Leutnant? Das überrascht mich, denn sie ist von Land umschlossen.«
Rossignols Scherz entging Bart beinahe, denn Rossignol war im Allgemeinen nicht als Urheber geistvoller Bonmots bekannt. Doch nach einigen peinlichen Augenblicken fiel der Groschen, und Bart quittierte die Bemerkung mit einem Lächeln und einem Nicken. »Es handelt sich um einen Teil der Welt, um den die Könige von Frankreich lange mit den Habsburgern gekämpft haben, nicht wahr – wie zwei Feinde, die miteinander in einer Barkasse festsitzen und um den Besitz des einzigen Dolches ringen.«
»Die Analogie, wiewohl nautischer Natur, ist treffend«, sagte Rossignol. »Während der Herrschaft Ludwigs XIII. – dem als königlicher Kryptoanalytiker zu dienen mein Vater die große Ehre hatte – hatte Oyonnax den Armeen des Königs erlaubt, sein Land als Ausgangsbasis für einen Einmarsch in die Franche-Comté zu benutzen, was diese häufig taten. Dafür war er zum Grafen erhoben worden. Dies war auch sein Rang, als er die junge Anne-Marie de Crépy heiratete. Ein paar Jahre später leistete er den Legionen von Ludwig XIV. einen ähnlichen Dienst, was, weil es zur Annexion der gesamten Franche-Comté durch Frankreich führte, den König veranlasste, ihn zum Herzog zu erheben. Er und die neue Herzogin zogen nach Versailles, wo er seinen neuen Status nur ein paar Monate genießen konnte, ehe sie ihn vergiftete.«
»Monsieur! Und Ihr werft mir vor, mich nicht politisch zu verhalten!«
Rossignol zuckte die Achseln. »Das sind harte Worte, ich weiß, aber es ist wahr; alle haben das damals getan – oder wenigstens alle Satansverehrer.«
»Jetzt nehmt Ihr mich aber auf den Arm.«
»Ihr könnt mir glauben oder nicht«, sagte Rossignol. »Manchmal kann ich es ja selbst nicht glauben. Diesem Treiben hat die de Maintenon ein Ende gesetzt, und zwar mit Hilfe von Pater Édouard de Gex – der vermutlich keine Ahnung hat, dass seine cousine eine der
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