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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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des Hauses Guise zu binden, und sie dienten diesem treu. Dies allerdings nur bis vor hunderteins Jahren, als die beiden führenden Männer des Hauses – Henri, Herzog von Guise, und Louis, Kardinal von
Guise – vom König oder seinen Anhängern ermordet wurden. Denn sie waren mächtiger geworden als der König selbst.«
    Das nun folgende kurze Schweigen bot Gelegenheit, ein ziemlich blutrünstiges Kunstwerk zu betrachten.
    »Wie konnte so etwas geschehen, Monsieur? Wie konnte dieses rivalisierende Haus so mächtig werden?«
    »Heutzutage, wo le Roi so stark ist, fällt es uns schwer, uns das vorzustellen, nicht wahr? Vielleicht hilft es Euch zu erfahren, dass ein Großteil der Macht, die den König so entsetzte, in etwas verwurzelt war, das sich Katholische Liga nannte. Sie hatte ihren Ursprung in Dörfern und Städten in ganz Frankreich, wo sich Gemeindepfarrer und vornehme Herren im Gefolge der Reformation plötzlich von Hugenotten überflutet fanden und sich deshalb miteinander verbündeten, um ihren Glauben gegen diese Häresie zu verteidigen und deren Ausbreitung zu verhindern.«
    »Aha, und hier tritt die Familie de Gex auf den Plan, nicht?«
    »Zu diesem Teil der Geschichte komme ich gleich. Ihr habt insofern recht, als die Gex typisch für die Sorte von Menschen waren, die damals Ortsgruppen der Katholischen Liga gründeten. Das Haus von Guise hatte diese zersplitterten Gruppen zu einer nationalen Bewegung zusammengeschmiedet. Nach der Ermordung von Henri und Louis von Guise stand die enthauptete Liga gegen den König auf – der selbst nicht lange danach ermordet wurde -, und es herrschte mehrere Jahre lang Chaos im ganzen Land. Der neue hugenottische König Heinrich IV. trat zum katholischen Glauben über und stellte die Ordnung wieder her, im Allgemeinen auf Kosten der Ultra-Katholiken und zum Vorteil der Hugenotten. So jedenfalls empfanden es viele glühende Katholiken, darunter auch die, die ihn 1610 ermordeten. In dieser Zeit nun wandten sich die Geschicke der Familie de Crépy zum Schlechten. Einige von ihnen fanden den Tod, andere kehrten auf das Land ihrer Vorväter in Nordfrankreich zurück und gingen wieder in bürgerlicher Obskurität auf, einige zerstreuten sich im Ausland. Ein paar von ihnen aber landeten weit weg von zu Hause in jenem Teil Frankreichs, der an den Genfer See grenzt. Für katholische Krieger war dies seinerzeit der beste oder der schlimmste Aufenthaltsort. Sie befanden sich Genf direkt gegenüber, einer Stadt, die für sie einem Ameisennest glich, aus dem beständig Hugenotten hervorwimmelten, um in jedem Sprengel Frankreichs zu predigen und zu bekehren. Dementsprechend waren die Katholiken in jenem Gebiet eifriger als
überall sonst – die ersten, die Ortsgruppen der Katholischen Liga gründeten, die ersten, die dem Haus von Guise Treue schworen, und nach den beiden Morden die kriegerischsten. Sie hatten Heinrich IV. nicht ermordet, aber nur, weil sie ihn nicht finden konnten. Der führende Adelige jener Gegend – ein gewisser Louis, Sieur de Gex – hatte eine kleine, zerlumpte, aber zu allem entschlossene Schar von Gleichgesinnten um sich versammelt, die aus anderen pays vertrieben worden waren und aus ganz Frankreich bei diesem entlegenen Außenposten zusammenströmten, während es mit ihrer Partei bergab ging.«
    »Darunter waren bestimmt auch einige aus dem Geschlecht der de Crépy.«
    »Allerdings. Womit Eure Frage, wie sie von hier nach da gelangten«, sagte Rossignol und deutete auf die beiden Landschaften, »beantwortet wäre. Die Neuankömmlinge waren fruchtbar und wohlhabend, während die Familie de Gex dahinschwand und arm war.«
    »Ich vermute, die meisten dort ansässigen Menschen, die sich auf das Geldverdienen verstanden, waren Hugenotten geworden«, sinnierte Bart.
    Dies trug ihm einen scharfen Blick und einen Tadel vonseiten Rossignols ein. »Leutnant Bart, ich glaube, ich verstehe jetzt, warum Mademoiselle la Comtesse de la Zeur es für notwendig erachtete, Euch darin zu unterweisen, wie man sich politisch verhält.«
    Bart zuckte die Achseln. »Es ist wahr, Monsieur. Die besten Kaufleute von Dünkirchen waren allesamt Hugenotten, und nach 1685…«
    »Eben weil es wahr ist, dürft Ihr es nicht einfach so äußern«, sagte Rossignol.
    »Nun gut, Monsieur, ich gelobe, im Verlaufe dieses Gesprächs nichts Wahres mehr zu sagen. Bitte fahrt fort!«
    Nach kurzem Schweigen, um sich zu sammeln, trat Rossignol vor einen Stapel an der Wand lehnender Porträts und

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