Confusion
ist schön, Euch kennen zu lernen!«, rief Bart in durchaus aufrichtig wirkendem Ton, dann ließ er Rossignols Hände los. Die zwei Männer fuhren auseinander. Doch die verstohlenen Blicke auf die Hände unterblieben nun. »Und nun warten wir, wie?«, sagte Bart. »Ihr wartet auf sie, und ich warte auf d’Avaux. Darin seid Ihr mir gegenüber im Vorteil.«
»Ich bin sicher, Monsieur le Comte wird sich nicht in Dünkirchen verweilen, wenn Euch das aufheitert.«
»Es muss wunderbar sein, so vieles zu wissen«, sagte Bart – und gab damit zu verstehen, dass er wusste, womit Bonaventure Rossignol seinen Lebensunterhalt verdiente.
»Vieles davon ist überaus langweilig, fürchte ich.«
»Ja, aber die Macht, das Verständnis, das Ihr dadurch erlangt! Nehmt zum Beispiel dieses Gemälde.« Bart wies mit einer derben, dicken Hand auf das Bild, das er vorhin zu betrachten vorgegeben hatte. Es zeigte eine hügelige Landschaft samt Dorf und Kirche, alles vom Garten eines Herrenhauses aus gesehen. Im Vordergrund tollten Kinder mit einem kleinen Hund herum. »Was bedeutet es? Wer sind diese Menschen? Wie sind sie dorthin geraten?« Er deutete auf ein anderes Bild, das eine dunkle Berglandschaft zeigte. »Und welche Bedeutung haben all diese Belagerungen und Schlachten für die d’Ozoirs?« Denn trotz eines gelegentlichen Landschaftsidylls verrieten die in der Galerie versammelten Kunstwerke eine starke Neigung zu Massakern, religiösen wie weltlichen Martyrien und großangelegten militärischen Operationen.
»Verzeiht mir, wenn ich das sage, Leutnant, aber angesichts der Bedeutung des Marquis d’Ozoir für die Marine empfinde ich es als bemerkenswert, dass Ihr nicht alles über seine Familie wisst.«
»Ah, Monsieur, das liegt daran, dass Ihr ein Höfling seid. Ich bin ein ahnungsloser Seebär. Doch Mademoiselle la Comtesse de la Zeur hat mich angewiesen, mich mit solchen Fragen zu beschäftigen, falls ich je über den Rang eines Leutnants hinauskommen möchte.«
»Da wir also beide dazu verdammt sind, uns die Beine in den Bauch zu stehen«, sagte Rossignol, »erlaubt mir, das zu tun, was ihr am meisten gefiele, und Euch ein kleines Garn zu spinnen, das alle diese Gemälde, Schmuckplatten und Büsten miteinander verbindet.«
»Ich stünde in Eurer Schuld, Monsieur!«
»Aber nicht doch. Nun müsst Ihr, selbst wenn Ihr der Politik gegenüber so taub seid, wie Ihr behauptet, wissen, dass Monsieur Le Marquis
d’Ozoir ein illegitimer Sohn von Monsieur le Duc d’Arcachon ist.«
»Das ist nie ein Geheimnis gewesen«, bestätigte Bart.
»Da der Marquis weder den Namen noch das Eigentum seines Vaters erben kann, folgt per Ausschluss, dass all diese Gemälde und sonstiger Kram von der Familie der...«
»Madame la Marquise d’Ozoir stammen!«, sagte Bart. »Und genau da bedarf ich der Unterweisung, denn von ihren Verwandten weiß ich nichts.«
»Zwei sehr unterschiedliche Familien, zu einer verschmolzen.«
»Aha. Die eine in nördlichen Landstrichen zu Hause, vermute ich«, sagte Bart mit einer Kopfbewegung zu dem ersten Landschaftsbild hin.
»De Crépy. Kleinadelige. Nicht sonderlich vornehm, aber einigermaßen wohlhabend, und fruchtbar.«
»Bei der anderen Familie muss es sich dann wohl um Alpenbewohner handeln«, sagte Bart und wandte sich dem düstereren und schrofferen der beiden Landschaftsbilder zu.
»De Gex. Ein armes, dahinschwindendes Geschlecht. Hartnäckige Katholiken, die an einem Ort nicht weit von Genf lebten, der unter die Herrschaft der Hugenotten gefallen war.«
»Die beiden Familien waren also tatsächlich sehr unterschiedlich. Wie kam es dann, dass sie sich vereinigten?«
»Die Familie de Crépy war zunächst durch Nachbarschaft, dann durch Vasallentreue und schließlich durch Heirat mit den Grafen von Guise verbunden«, sagte Rossignol.
»Äh... mir ist dunkel bewusst, dass die Guises wichtig waren und irgendwelchen Ärger mit den Bourbonen bekamen, aber wenn Ihr meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen könntet, Monsieur...«
»Mit Vergnügen, Leutnant. Vor anderthalb Jahrhunderten zeichnete sich ein Comte de Guise so sehr in der Schlacht aus, dass der König ihn zum Duc de Guise machte.Von seinen Adjutanten, Kavalieren, Lakaien, Mätressen, Haupt- und Gefolgsleuten stammten mehrere aus der Linie Crépy. Einige davon entwickelten eine Vorliebe für Abenteuer und begannen Ambitionen zu hegen, die über bloße Kirchturmpolitik hinausgingen. Es erschien ihnen tunlich, sich gleichsam an den Mast
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