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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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und den lächerlich dünnen, wie ein Paar Kommas auf der Oberlippe klebenden Schnurrbart zur Schau, der ihn jeden Morgen eine Stunde vor dem Toilettenspiegel kosten musste. Für Rossignols Geschmack wies seine Kleidung zu viel Spitze und Metall (Schnallen und Knöpfe) auf; doch nach den Maßstäben von Versailles gälte dieser Jean Bart nicht einmal als Stutzer. Rossignol machte eine bewusste Anstrengung, die Kleidung und das Cologne zu ignorieren, und konzentrierte sich stattdessen darauf, dass der vor ihm Stehende vor kurzem aus einem Gefängnis in England ausgebrochen war, ein kleines Boot gestohlen hatte und ganz allein nach Frankreich zurückgerudert war.
    Bart vollführte eine halbe Drehung auf den Fußballen, sodass er Rossignol in die Augen schauen konnte. Sein rechter Arm war immer noch schräg um die Vorderseite seines Körpers gelegt. Er warf einen raschen Blick auf Rossignols linke Hüfte, und als er dort das Rapier erspähte, auf seine linke Hand, ob sie einen Dolch enthielt oder die Absicht verriet, einen zu ziehen.
    Wäre Rossignol en grand habit gekleidet gewesen, wäre die Begegnung vielleicht anders verlaufen, aber er sah nun einmal nicht anders als ein Straßenräuber aus. Deshalb ergriff er das Wort: »Leutnant. Bitte verzeiht die Störung.« Er war klugerweise außerhalb der Reichweite eines mit der Rückhand geführten Säbelstreichs stehen geblieben, zog sich nun jedoch, als eine Art Friedensangebot, noch einen zusätzlichen Schritt zurück, sodass sich Bart nicht mehr in Reichweite eines Ausfalls mit dem Rapier befand. Bart bemerkte dies und reagierte, indem er sich Rossignol vollends zuwandte, wodurch seine rechte Hand sichtbar wurde, die er dann ein wenig hob, sodass seine Arme nun vor seinem fassförmigen Oberkörper gekreuzt waren.
    »Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen, Euch kennen zu lernen, und Ihr werdet Euch mit Recht fragen, wer ich bin und was ich in diesem Hause zu schaffen habe. Da ich ein Besucher in Eurer Stadt bin,
Leutnant, erlaubt mir bitte, mich Euch vorzustellen. Mein Name ist Bonaventure Rossignol. Ich bin von meinem Zuhause in Juvisy hierher gekommen, weil ich hoffte, Mademoiselle la Comtesse de la Zeur zu Diensten sein zu können, und sie hat mir die Ehre erwiesen, mich die Schwelle dieses Hauses überschreiten und mich einige Stunden hier verweilen zu lassen. Ich genieße, mit anderen Worten, das Privileg, hier ein geladener Gast zu sein, was sie Euch auch sagen würde, wenn Ihr zu ihr gingt und sie fragtet. Ich bitte Euch jedoch, davon abzusehen, solange Monsieur le Comte d’Avaux anwesend ist, denn die Angelegenheit ist...«
    »Kompliziert«, sagte Jean Bart, »kompliziert, delikat und gefährlich, genau wie Mademoiselle la Comtesse selbst.« Seine beiden Arme lösten sich jäh voneinander, sodass Rossignol zusammenzuckte; doch die Hände bewegten sich auf Rossignol zu und von der Waffe weg. Rossignol ließ seine eigenen Hände weiter von Heften, Knäufen etc. wegwandern und gestattete Bart sogar den flüchtigen Anblick seiner Handteller.
    »Ich bin Leutnant Jean Bart.« Bart trat einen Schritt auf Rossignol zu, womit er sich in Rapierstoß-Reichweite wagte. Rossignol lohnte ihm diese Vertrauensgeste damit, dass er die Hände weiter ausstreckte und mehr Handteller zeigte, und schob sich dann in Säbel-Rückhand-Reichweite. Wie zwei sich durch Rauch tastende Männer fanden sie die Hände des jeweils anderen und ergriffen sie – ein beidhändiges Händeschütteln, nur um ganz sicher zu sein. »Allerdings bin ich zugegebenermaßen enttäuscht«, sagte Bart. »Es überrascht mich keineswegs, dass ein galanter Herr von Paris hierhergeritten kommt, um der Lady zu Diensten zu sein. Tatsächlich hatte ich mich schon gefragt, wann jemand von Eurer Art auftauchen würde.«
    Das war insofern eine dreifache Spitze, als Bart sein Interesse an Eliza eingestand, Rossignols Priorität in der Angelegenheit einräumte und ihn zugleich damit aufzog, dass er zu lange gebraucht habe, um hierherzukommen. Rossignol überlegte, wie er dieses kleine Schrapnell entschärfen konnte, solange sie einander noch sicher bei den Händen hielten. »Ähnliches habe ich auch schon von der betreffenden Lady zu hören bekommen«, gab er in trockenem Ton zu.
    »Ha, ha, das kann ich mir lebhaft vorstellen!«
    »Ich tue alles in meiner Macht Stehende, um sie zufriedenzustellen«, sagte Rossignol, »und wenn das nicht gelingt, kann ich nichts weiter tun, als mich ihr zu Füßen zu werfen.«

    »Es

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