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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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hatten.
    Sie lichteten den Anker und segelten durch die Bucht von Manila.
Die spanische Festung auf der Landspitze von Cavite kam als Erstes in Sicht, und später erblickten sie jenseits davon die Glockentürme und Befestigungsanlagen von Manila und um die Mündung des Pasig herum ein Dickicht aus Masten und Spieren, das von flatternden Seidenbannern durchzogen war. Die Mehrheit der Männer an Bord ging davon aus, dass sie sich unverzüglich dorthin begeben würden. Doch als sie die Landspitze von Cavite luvwärts umschifft hatten und in ruhigere Gewässer im Schutz der Festung fuhren, befahl van Hoek, einen Großteil der Segel einzuholen. Eine Banca – eine Art Langboot, das aus dem Stamm eines einzigen Riesenbaums gehauen war – hielt auf sie zu, und als sie näher kam, erkannte Jack Moseh und Surendranath, die hiergeblieben waren, um geschäftliche Dinge zu erledigen, und Jimmy und Danny, die als ihre Leibwächter fungiert hatten. Einer nach dem anderen kletterten die Männer die Lotsenleiter hinauf und begrüßten ihre Gefährten auf dem Oberdeck. Dann gingen Moseh und Surendranath nach hinten in van Hoeks Kajüte, um sich mit dem Kapitän und den anderen für ihr Unternehmen verantwortlichen Männern zu besprechen. Jack hätte dabei sein können, lehnte aber höflich ab, weil er an Mosehs Miene ablesen konnte, dass alles einigermaßen gut gelaufen war und ihre nächste Reise sie nach Osten führen würde.
    Dies war der innerste Hafen der Bucht von Manila: ein Ankerplatz in Form einer Hängematte, die zwischen zwei mehrere Seemeilen voneinander entfernten Landzungen aufgehängt war, und jede dieser Landzungen war im Laufe der anderthalb Jahrhunderte, in denen die Spanier über diese Inseln herrschten, von ihnen oder ihren tagalischen Günstlingen zu einer Festung ausgebaut worden. Die nähere dieser beiden Festungen, gleich an ihrer Backbordseite, war Cavite: eine herkömmliche quadratische, mit vier Bastionen versehene Burg, die an der Spitze einer schmalen Landzunge im Meer errichtet worden war, sodass die Bucht ihr als Burggraben diente. Quer durch diese Landzunge war ein Graben gezogen worden, damit der landeinwärts gelegene Zugang durch eine Hängebrücke kontrolliert werden konnte. Dieser Graben befand sich in einiger Entfernung von der eigentlichen Burg, und der Platz dazwischen war mit Gebäuden ausgefüllt worden: eine Menge Schilfhütten, zwischen denen hier und da solidere Holzhäuser herausragten, und drei steinerne Kirchen, die von verschiedenen papistischen Orden errichtet worden waren oder gerade wurden.
    Das andere Ende des Hafens bildete die Stadt Manila selbst. Die
Spanier hatten eine kleine Halbinsel genommen, die auf einer Seite durch die Bucht und auf zwei anderen durch Flüsse eingerahmt wurde: den Pasig und ein Wirrwarr von bedeutungslosen Nebenflüsschen, die kurz vor dessen Eintritt in die Bucht in den Pasig mündeten. Sie hatten diese Halbinsel mit einer modernen, auf einer Seite abgeschrägten Mauer von mehreren Meilen Umfang eingefriedet und an deren Ecken stattliche Bollwerke und Halbmondschanzen errichtet, die sie gegen Angriffe zu Lande durch Holländer, Chinesen oder einheimische Legionen gefeit machte. Die Mündung des Pasig wurde von einer ansehnlichen Festung überragt, deren Geschütze den Fluss, die Bucht und gewisse lästige ethnisch geprägte Barangays am gegenüberliegenden Flussufer beherrschten.
    Von diesem Standpunkt aus – wie eigentlich von jedem anderen auch – sah es nicht aus wie eine sagenhafte Zitadelle unermesslichen Reichtums. Hätten die Spanier Manila irgendwo anders gebaut, hätten seine Kirch- und Wachtürme bis in die Wolken geragt. So aber duckten sich selbst die prächtigsten Gebäude dicht an den Boden und wirkten irgendwie bucklig, denn die Spanier hatten auf drastische Weise erfahren müssen, dass alles, was aus Steinen erbaut und mehr als zwei Stockwerke hoch war, von Erdbeben niedergerissen wurde, kaum dass der Mörtel getrocknet war. Wie Jack nun also auf dem Deck der Minerva stand, nahm er Manila als etwas sehr Dunkles, Niedriges und Schweres wahr, das obendrein unter einer Schicht aus Rauch und Feuchtigkeit lag und nur durch die hohen Kokospalmen, die seinen Strand säumten, etwas aufgelockert wurde.
    Das war genau das Wetter, das in einem kräftigen Gewitterregen gipfelte – eine Tatsache, mit der die Mannschaft der Minerva wohl vertraut war, denn in den drei Jahren seit ihrer Jungfernfahrt von Malabar aus war Manila die meiste Zeit ihr

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