Confusion
einen venezianischen Kanonier herausgesucht. Schließlich waren da noch die überlebenden Mitglieder der Verschwörergruppe: van Hoek, Dappa, Monsieur Arlanc, Padraig Tallow, Jack Shaftoe, Moseh de la Cruz, Vrej Esphahnian und Surendranath. Zählte man Jimmy und Danny Shaftoe hinzu, waren es insgesamt einhundertfünf Männer. Etwa zwanzig von ihnen hingen in den Wanten und machten das Schiff für das bevorstehende Unwetter klar.
Jack stieg die Stufen zum Achterdeck hinauf und stellte sich zwischen die übrigen Anteilseigner hinter van Hoek. Als er sich umdrehte, um – ungefähr in Richtung Manila – einen Blick über das Oberdeck hinauszuwerfen, schleuderte im Himmel über der Stadt einer dieser Sternbildgötter, der zornig war, weil er am Ende nichts anderes mehr besaß als ein paar abgerissene Fetzen eines düsteren graublauen Stoffs, einen Blitzstrahl waagerecht in den mittleren Teil eines Rivalen, der in leuchtenden korallenroten und grünen Satin gehüllt war. Die beiden lagen wohl zwanzig Meilen voneinander entfernt. Es schien, als hätte ein plötzlich aufgesprungener Riss ein Viertel des Himmelsgewölbes umspannt und für einen Augenblick ein unendlich viel strahlenderes Licht aus einem unglaublich hell erleuchteten Reich jenseits des bekannten Universums durchscheinen lassen. Gut, dass die Mannschaft in die andere Richtung schaute – obwohl manche von ihnen den Schrecken in den Gesichtern der führenden Männer auf dem Achterdeck wahrnahmen und sich umdrehten,
um festzustellen, was da los war. Sie sahen nichts als eine Regenwand, die sich in den schwarzen Dschungel jenseits von Manila senkte.
»Das muss Jewgeni gewesen sein, der eine himmlische Harpune warf, um van Hoek daran zu erinnern, dass die Kürze eine Tugend ist«, sagte Jack, und diejenigen, die Jewgeni gekannt hatten, kicherten nervös.
»Wir haben eine weitere Reise hinter uns gebracht«, verkündete van Hoek, »und wenn das hier ein christliches Schiff wäre, würde ich meinen Hut abnehmen und ein Dankgebet sprechen. Da auf diesem Schiff aber kein bestimmter Glaube vorherrscht, behalte ich meinen Hut auf, bis ich später für mich allein meine Gebete sprechen kann. Sucht heute Abend alle eure Tempel, Pagoden, Heiligtümer und Kirchen auf und tut ein Nämliches.«
Als seine Worte übersetzt wurden, erhob sich ein allgemeines Gemurmel der Zustimmung. Die Minerva hatte nicht weniger als drei Köche mit drei völlig unterschiedlichen Sammlungen von Kochtöpfen. Die einzige Gruppe, die keinen eigenen hatte, waren die Christen, die, wenn es ums Essen ging, vor nichts zurückschreckten.
»Nie wieder werden diese Männer alle an einem Ort beisammen sein«, sagte van Hoek. »Enoch Root hat uns schon Lebewohl gesagt. In vierzehn Tagen werden Surendranath und einige von euch Malabaren auf der Brigg Kottakkal nach Queenah-Kootah auslaufen, um der Königin gleichen Namens den rechtmäßigen Anteil an unserem Gewinn zu überbringen. Etwas später wird Padraig zu ihnen stoßen. Er, Surendranath und Mr. Foot werden ihr Glück in der Südsee suchen, während wir Übrigen weiterfahren werden. Ihr Matrosen werdet heute Abend in Manila ausschwärmen. Manche von euch werden in einem Monat auf dieses Schiff zurückkehren, um es für unsere große Reise klarzumachen. Andere werden sich eines Besseren besinnen.«
Jetzt zog van Hoek mit einem Ruck sein Entermesser und deutete damit auf das gigantische Schiff, das vor dem Zeughaus von Cavite fertiggestellt wurde. »Seht nur!«, rief er aus. Sämtliche Köpfe drehten sich, wenn auch nur für einen Moment, zu der gewaltigen Galeone um; dann verlagerte sich die Aufmerksamkeit auf das Wetter. Endlich war ein Wind aufgekommen, der zunächst aus dem Osten wehte, aber offensichtlich schon dabei war, in nördliche Richtung zu drehen. Die Wachmannschaft hatte jedoch ein Segel am Großmast klargemacht
und trimmte es jetzt, um die Minerva zu wenden und in tieferes Gewässer in der Mitte der Bucht zu bringen.
»Ein großes Schiff für eine große Reise«, sagte van Hoek und meinte damit den spanischen Koloss. »Das ist die Manila-Galeone, und sie wird bald, mit allen Seidenstoffen Chinas und Gewürzen Indiens beladen, aus dieser Bucht auslaufen und eine siebenmonatige Reise antreten, auf der sie den halben Erdball umrunden wird. Wenn sie die Philippinen achtern liegen lässt, werden ihre Anker hochgezogen und im tiefsten Winkel ihres Laderaums verstaut, weil ihre Männer über ein halbes Jahr lang keinen Flecken trockenes
Weitere Kostenlose Bücher