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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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dazwischen, wo die Schnur aufgewickelt war, einen schmalen Schlitz. Er wickelte ein paar Zoll von der Schnur ab und steckte den Finger durch eine Schlaufe an deren Ende. Dann ließ er die Spule fallen. Zunächst fiel sie langsam, da die Trägheit der Spule ihrer Tendenz, die Schnur abzuwickeln, widerstand, wurde dann jedoch schneller und sauste ruhig auf das Deck zu. Kurz bevor sie auf die Planken geschlagen wäre, hielt sie abrupt an, nachdem sie ihren dürftigen Vorrat an Schnur abgewickelt hatte. Im selben Moment zuckte Enochs Hand ein klein wenig nach oben, woraufhin die Spule ihre Richtung wechselte und anfing, die Schnur emporzuklettern.
    Jack blickte flüchtig über mehrere Faden offenes Meer hinweg zu dem holländischen Schiff. Ungefähr ein Dutzend Seeleute beobachteten dieses Wunder mit offenem Mund.
    »Auf die Entfernung können sie die Schnur nicht sehen«, kommentierte Jack, »und halten das, was Ihr da tut, für Zauberei.«
    »Jede einigermaßen fortschrittliche Technik ist von einem Jojo nicht zu unterscheiden«, sagte Enoch.
    »Damit tut man ja keiner Fliege etwas zuleide«, sagte Jack. »Ich ziehe das Original mit sich drehenden Messern vor.«
    »Das ist schön und gut, solange man im philippinischen Dschungel seine Beute von einem Ast runterholt«, sagte Enoch, »aber es ist unbequem, solche Waffen in der Tasche mit sich herumzutragen.«
    »Wohin reist Ihr mit Euren Jojos?«
    »Es geht das Gerücht, dass auch die purpurroten Ureinwohner von Arnhemland Wurfwaffen herstellen, die zum Werfer zurückkehren«, sagte Enoch, »allerdings ohne Schnur, ohne irgendeine derartige physische Verbindung.«
    »Unmöglich!«
    »Wie gesagt: ›Jede einigermaßen fortschrittliche Tech...‹«
    »Ich hab’s verstanden. Es geht also nach Arnhemland. Und dann?«
    Enoch hielt inne, um nachzusehen, wie weit die Beladung des Bootes gediehen war, und als er merkte, dass ihm noch ein oder zwei
Minuten blieben, erzählte er Folgendes: »Ihr wisst, dass unser ganzes Unternehmen darauf beruht, dass wir in der Lage sind, gewisse spanische Beamte und Schiffskapitäne zu bestechen, was an sich nicht schwierig ist. Allerdings mussten wir unzählige Stunden damit zubringen, sie fürstlich zu bewirten und uns ihre nicht enden wollenden Lügengeschichten und ihr Seemannsgarn anzuhören. Das meiste davon ist langweilig und wenig bemerkenswert. Aber eine von diesen Geschichten hat mich interessiert. Ich bekam sie von einem gewissen Alfonso erzählt, dem ersten Maat auf einer Galeone, die vor ein paar Jahren von Manila aus in Richtung Acapulco in See stach. Wie gewöhnlich versuchten sie, nach Norden zu einem höheren Breitengrad zu gelangen, auf dem sie dann vor dem Passat nach Kalifornien segeln konnten. Stattdessen gerieten sie in ein Unwetter, das sie viele Tage lang in südliche Richtung trieb. Als sie das nächste Mal Sonnenbeobachtungen durchführen konnten, stellten sie fest, dass sie den Äquator passiert und bereits mehrere Grad südlicher Breite erreicht hatten. Nun hatte der Sturm die ganze Erde weggespült, die sie um die Feuerstelle in ihrer Kombüse gehäuft hatten, sodass es ihnen unmöglich war, ein Feuer zum Kochen anzuzünden, ohne die ganze Galeone in Brand zu stecken. Also ankerten sie in der Nähe einer Insel (es war nämlich eine ganze Kette in Sicht gekommen, deren Bewohner wie Afrikaner aussahen) und holten sich Sand und Trinkwasser. Mit dem Wasser füllten sie ihre Trinkkrüge auf. Den Sand häuften sie um ihre Feuerstelle herum. Dann setzten sie ihre Reise fort. Als sie fast ein Jahr später in Acapulco ankamen, entdeckten sie Goldklümpchen unter ihrer Feuerstelle – offensichtlich war der Sand goldhaltig, und die Hitze des Feuers hatte das Gold geschmolzen und von dem Sand getrennt. Unnötig zu erwähnen, dass der Vizekönig in La Ciudad de México...«
    »Derselbe?«
     
    Enoch nickte. »Genau derselbe, dem Ihr vor Bonanza das Gold gestohlen habt. Er erhielt Nachricht von diesem Wunder und sandte unverzüglich ein Flottengeschwader unter dem Kommando eines Admirals namens de Obregon aus, das an jenem Breitengrad entlang segeln sollte, bis es die Inseln gefunden hätte.«
    »Ob das wohl die Salomoninseln waren?«
    »Wie Ihr wisst, Jack, ist man lange davon ausgegangen, dass Salomon – der Erbauer des Tempels von Jerusalem, der erste Alchimist und Gegenstand von Isaac Newtons Obsessionen seit ach so vielen Jahren –
das Land Israel verließ, bevor er starb, eine Reise weit in den Osten unternahm und

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