Confusion
kann es nicht ebenso gut ein von außen durch ein sich drehendes Universum auf uns ausgeübter Effekt sein?«
»Niemand sollte auf der Feier seines achtzehnten Geburtstages gezwungen sein, sich metaphysische Erörterungen anzuhören«, verfügte Sophie.
»Es ist dunkel hier drin«, sagte Caroline, »ich kann die Karten nicht sehen.«
Wladyslaw – ein polnischer Tenor, der in so gut wie jeder von Sophie Charlottes Opern die Titelrolle sang – entzündete ein neues Funkenfeuer und reichte es mitten durch den Pazifischen Ozean hindurch Caroline. Leibniz’ Blick auf die junge Frau wurde durch Brasilien verstellt, aber er sah, wie sich das Innere der Kugel erhellte, während das Funkenfeuer in die Mitte gezogen wurde; das frisch polierte Messing schien sich zu entzünden, als es das Licht aufnahm und in alle Richtungen abstrahlte. Einen Moment lang schien es, als wäre der Globus-Käfig mit Flammen gefüllt, und Leibniz’ Herz schmerzte und hämmerte vor Angst, Carolines Kleid habe Feuer gefangen; doch dann hörte er ihre vergnügte Stimme und kam zu dem Schluss, dass die Angst, die er empfand, etwas anderem galt, einem größeren und länger währenden Unglück, als es das Schicksal einer verwaisten Prinzessin wäre.
»Jetzt kann ich alle Flüsse in Türkis sehen, und auch alle Seen, und
Wälder aus grünem Schildpatt! Die Städte sind Edelsteine, durch die das Licht scheint.«
»So würde die Welt aussehen, wenn sie durchsichtig wäre und ihr in der Mitte sitzen und nach draußen schauen könntet«, sagte Pater von Mixnitz, ein Jesuit aus Wien, der es irgendwie gedeichselt hatte, eingeladen zu werden.
»Das ist mir bewusst«, sagte Caroline verärgert. Es folgte ein längeres, gereiztes Schweigen. Caroline war am schnellsten bereit, zu vergeben und zu vergessen. »Ich sehe zwei Schiffe im Pazifik, eines ist voller Quecksilber, das andere voller Feuer.«
»Ich entsinne mich nicht, sie in die Entwürfe aufgenommen zu haben«, scherzte Leibniz, der damit Sophies Befehl zu gehorchen versuchte, die Stimmung etwas aufzulockern. »Darüber werde ich mit den Handwerkern ein ernstes Wörtchen reden müssen!«
»Bedenkt nur, Eure Hoheit«, fuhr Pater von Mixnitz fort, »Ihr könnt Euch ganz herumdrehen, um dreihundertzwanzig Grad...«
»Dreihundert sechzig !«
»Ja, Eure Hoheit, das wollte ich sagen – um dreihundertsechzig Grad -, und würdet doch niemals das Spanische Reich aus dem Blick verlieren. Ist es nicht bemerkenswert, wie riesig, wie reich die spanischen Besitzungen sind?«
»Tante Sophie sagt, dass es vielleicht schon bald die französischen Besitzungen sind«, wandte Caroline ein.
»In der Tat, im Augenblick sitzt der französische Prätendent auf dem Thron in Madrid...«
»Tante Sophie sagt, dass es auf die Frau hinter diesem Thron ankommt.«
»In der Tat«, sagte der Jesuit, und sein Blick huschte zu Sophie, »manche behaupten, der Duc d’Anjou oder König Philipp V. von Spanien, wie er sich selbst nennt, sei nur eine Schachfigur der Princesse des Ursins, die wiederum eine notorische Seelenfreundin von Madame de Maintenon ist – aber das gehört nicht zur Sache, da Anjou auf dem spanischen Thron unmöglich lange überdauern kann, wenn er weit raffiniertere, mächtigere und schönere Frauen zu Gegnern hat.«
»Tante Sophie sagt, sie macht sich nichts aus Schmeichlern«, sagte die Stimme aus der Mitte der Messingwelt.
Sophie, die im Begriff gewesen war, den Priester wie eine Wanze zu zerquetschen, tat nun etwas für sie sehr Seltenes: Sie zögerte, hin und
her gerissen zwischen Verärgerung über den Jesuiten und Vergnügen über Caroline.
»Es ist keine Schmeichelei, Hoheit, wenn man sagt, dass Sophie, im Bunde mit König Wilhelm oder Königin Anne – wie es eines Tages der Fall sein mag -, eine stärkere Macht darstellt als die de Maintenon und die des Ursins. Und das umso mehr, wenn der rechtmäßige Erbe des spanischen Throns – Erzherzog Karl – mit einer Prinzessin vom Schlage Sophie und Sophie Charlotte vermählt würde.«
»Aber Erzherzog Karl ist Katholik, Tante Sophie und Tante Figgie dagegen sind Protestantinnen – genau wie ich«, sagte Caroline, die geistesabwesend mit dem Fuß gegen Meridiane trat, um sich mal nach links, mal nach rechts zu drehen und dabei zuerst auf die eine, dann auf die andere Seite des Isthmus von Panama zu schauen.
»Man hat durchaus schon davon gehört, dass Standespersonen die Religion wechseln«, sagte der Jesuit. »Zumal, wenn sie geistig rege sind
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