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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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gestatten ihm nur, hier und in Lima als unser Strohmann zu fungieren. Er wird an Bord der Minerva dorthin fahren und alles Quecksilber, das wir hier nicht ausladen, dort verkaufen. Damit ist seine Rolle in dem Unternehmen beendet. Die Minerva lässt ihn am Kai von Lima zurück, umschifft Kap Hoorn und trifft uns ein oder zwei Jahre später in Veracruz oder Havanna wieder. Edmund de Ath kann in Peru bleiben und versuchen, die Inkas zum katholischen Protestantismus oder protestantischen Katholizismus zu bekehren, oder nach Mexiko zurückkehren... Uns kann das egal sein.«
    »Mir ist es ohnehin egal, denn die Zeit meiner Reisen ist vorbei«, sagte Moseh. »Wenn Edmund de Ath versucht, Unheil zu stiften, werde ich meinen Poncho und meinen Sombrero anziehen und mit Satteltaschen voller Silber nach Norden reiten.«
    »Na gut«, sagte Jack, »aber vorher solltest du reiten lernen. Das ist schwieriger als an einem Ruder zu ziehen.«

BUCH FÜNF
    Das Komplott

Schloss Charlottenburg, Berlin
    JULI 1701
    »Eure Hoheit, als ich ein Knabe war – noch jünger, als Ihr es jetzt seid, so schwer das auch vorzustellen sein mag -, wurde ich eine Zeitlang aus einer Bibliothek ausgeschlossen, und das gefiel mir gar nicht«, sagte der kahlköpfige Mann, der die junge Frau die Galerie entlangführte. »Ich bitte Euch zu verstehen, wie sehr es mich geschmerzt hat, Euch die vergangene Woche aus Eurer Bibliothek auszuschließen...«
    »Eigentlich ist es doch gar nicht meine, oder? Die Bibliothek ist das Eigentum von Onkel Freddie und Tante Figgie!«
    »Aber Ihr habt sie zu der Euren gemacht, indem Ihr so viel Zeit darin verbringt.«
    »Während sie geschlossen war, habt Ihr mir ohne Verzug jedes Buch gebracht, um das ich gebeten habe, Doktor. Was sollte es mir also ausmachen?«
    »Wohl wahr, Eure Hoheit, mein Wunsch, mich bei Euch zu entschuldigen, ist ganz und gar irrational, Q.E.D.«
    »Ist es bloß eine dieser barocken Apologien, die Höflinge an den Anfang von Briefen setzen?«
    »Ich hoffe nicht. Eine Apologie kann aufrichtig , muss aber nicht rational sein.«
    »Während die Apologie eines Höflings das Gegenteil davon ist«, sagte die Prinzessin, »insofern sie unaufrichtig, aber kalkuliert ist.«
    »Gut gesagt – aber zu laut«, antwortete der stolze Doktor. »Eure Stimme trägt in diesen hallenden Galerien eine Meile weit; und ein Höfling, der eine Indiskretion aufschnappt, wird damit zu sämtlichen Salons tänzeln wie ein Hündchen, das eine Hühnerkeule gestohlen hat.«
    »Dann wollen wir hier hineingehen, wo meine Stimme von Büchern gedämpft wird und wohin sich Höflinge niemals verirren«, antwortete
Caroline, blieb vor der Bibliothekstür stehen und wartete darauf, dass Leibniz sie ihr öffnete.
    »Nun werdet Ihr Euer Geburtstagsgeschenk sehen, und ich hoffe, es gefällt Euch«, sagte der Doktor und zog einen Schlüssel an einem blauen Seidenband aus der Tasche. Der Schlüssel war ein Stahlstab mit einem ungeheuer ornamentreichen Griff an einem Ende und einer Art dreidimensionalem, in einen Stahlkubus eingeschnittenen Labyrinth am anderen. Der Doktor führte ihn in ein viereckiges Loch im Türschloss ein, wackelte damit hin und her, um ihn in den darin verborgenen Mechanismus einzupassen, und drehte ihn. Ehe er die Tür öffnete, zog er den Schlüssel aus dem Schloss und hängte ihn der Prinzessin an dem blauen Band um den Hals. »Da Ihr Euer Geschenk nicht mit Euch herumtragen könnt, hoffe ich, Ihr werdet als Zeichen diesen Schlüssel tragen. Mögt Ihr nie wieder ausgeschlossen werden.«
    »Danke, Doktor. Wenn ich einmal Königin des einen oder anderen Landes bin, werde ich Euch eine Bibliothek bauen, größer als die von Alexandria, und Euch einen goldenen Schlüssel dazu schenken.«
    »Ich fürchte, ich werde zu alt und zu blind sein, um guten Gebrauch von der Bibliothek zu machen – aber den Schlüssel werde ich dankbar annehmen und bis ins Grab tragen.«
    »Das wäre verantwortungslos von Euch – dann käme ja niemand mehr in die Bibliothek hinein!«, antwortete Caroline augenrollend und mit einem scharfen Seufzer der Verzweiflung. »Macht die Tür auf, Doktor, ich will sie sehen!«
    Leibniz entriegelte die beiden Türflügel, drehte sich um und trat rückwärts ein, um Carolines Gesicht beobachten zu können. Er sah in ihren blauen Augen widergespiegeltes Licht: Licht von hohen Fenstern in allen vier Wänden und von sprühenden, in Eimern voll Sand entzündeten Funkenfeuern, die das Ganze wie einen riesigen

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