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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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daher Monsieur Wachsmann zu Rate. Er war ein phlegmatischer, grauhaariger Pommer von ungefähr sechzig Jahren. Sie erklärten ihm ihre Verwirrung und fragten, wie er denn seine Waren verkaufe, wo er doch kein Angehöriger des Dépôt sei. Er erwiderte, er habe so etwas wie eine Beziehung zu einem wichtigen Geschäftsmann
in der Stadt, bei dem er ein laufendes Konto unterhalte. Immer wenn dieses Konto ein Guthaben zu seinen Gunsten ausweise, könne er dies ausnützen, um sich das zu besorgen, was er brauche. Das Gleiche, versicherte er seinen Besuchern, gelte für jeden Bauholz-Großhändler, der groß genug sei, um als Geschäftspartner für sie in Frage zu kommen.
    »Damit nimmt allmählich ein Plan Gestalt an«, sagte Samuel. »Wir handeln mit einem Bauholz-Großhändler die Konditionen aus, ausgedrückt in ecus au soleil, unbeschadet dessen, dass es sich um eine gänzlich fiktive Währung handelt, und dann legen wir die Sache dem Dépôt vor und lassen die Leute das in ihren Büchern verrechnen. Wir bekommen das Bauholz; aber ist es uns auch möglich, irgendeinen Gewinn herauszuziehen?«
    Monsieur Wachsmann zuckte die Achseln, als wäre dies etwas, dem er keine sonderliche Beachtung schenkte; und doch zeigte sein Anwesen, dass er reichlich Gewinn gemacht hatte. »Wenn Ihr mögt, könnt Ihr die Gewinne auf mein Konto leiten, dann schulde ich sie Euch, und wir können sie in spätere Geschäfte mit dem Dépôt stecken, was sich dann vielleicht irgendwann in materieller Form, wie etwa Honigfässern, niederschlägt, die Ihr in Amsterdam für Gold verkaufen könnt.«
    »So kommt es, dass Leute nach Lyon ziehen und nie wieder von dort weggehen«, murmelte Jacob Gold, der in dieser einen Bemerkung die Verblüffung des Amsterdamers über die Geschäftspraktiken Lyons mit der Verachtung des Parisers für die Kultur der Stadt verband.
    Monsieur Wachsmann zuckte die Achseln und betrachtete sein Château . » Man kann sich schlimmere Schicksale vorstellen. Habt Ihr eine Vorstellung, wie es um diese Jahreszeit in Stettin ist?«
    »Und wenn man sich nun Edelmetall besorgt, es nach Genf schafft und dort gegen einen Wechsel eintauscht?«, wollte Abraham wissen. »Das geht viel schneller, und der Wechsel ist leichter nach Amsterdam zu befördern als Honigfässer.«
    »Es herrscht große Konkurrenz um die geringe Menge von Edelmetall, die es hier gibt, deshalb werdet Ihr einen großen Abschlag akzeptieren müssen«, warnte ihn Monsieur Wachsmann, »aber wenn Ihr das wirklich wollt, so ist das auf solche Transaktionen spezialisierte Haus das von Hacklheber’sche. Es befindet sich beim Zeichen des Goldenen Merkurs, schräg gegenüber der Place au Change.«
    » Wenn das kein vertrauter Name ist«, sagte Eliza. »Ich war in der
Faktorei der Familie in Leipzig und bin von Lothar höchstpersönlich beäugt worden.«
    »Ich habe noch nie von ihnen gehört«, sagte Samuel, »aber wenn dieser Lothar Euch beäugt hat, dann heißt das, dass er nicht ganz dumm sein kann.«
    »Sie sind Spezialisten für Metalle«, sagte Jacob Gold, »so viel weiß ich.«
    »Als die Genueser hier bankrott gingen«, sagte Monsieur Wachsmann, »geschah das deshalb, weil die spanischen Minen bei der Lieferung von Silber nach Sevilla gewisse Probleme hatten. Bankiers aus Genf und anderen Städten kamen nach Lyon, um die von den Genuesern hinterlassene Lücke zu füllen. Sie hatten Verbindungen zu Silberminen im Harz und im Erzgebirge, die kurze Zeit florierten, bis spanisches Silber erneut den Markt überschwemmte. Jedenfalls hatte einer dieser Bankiers eine Niederlassung in Leipzig, und die Leute, die man dorthin schickte, um nach dem Rechten zu sehen, heirateten in die Familie von Hacklheber ein. Wegen der Verbindung der Hacklhebers zu den Silberminen hatten sie alte Beziehungen zu den Fuggern. Es heißt sogar, die Familie gehe bis auf die Römer zurück...«
    Adam schnaubte. »Unsere geht bis auf Adam zurück.«
    »Ja; aber für sie ist das alles sehr eindrucksvoll«, sagte Monsieur Wachsmann geduldig, »und ehe ich es vergesse, nun da Ihr Eure Bar-Mizwa hinter Euch habt, könntet Ihr vielleicht etwas weniger Zeit mit dem Torahstudium und mehr mit dem Erlernen von Umgangsformen zubringen. Das Glück war dem Leipziger Zweig auf irgendeine Weise hold, und binnen kurzem wackelte der Hacklheber’sche Schwanz mit dem Genfer Hund. Es ist ein kleines Haus, das aber als außerordentlich geschickt gilt. Es hat Filialen in Lyon, Cadiz und Piacenza: überall dort, wo

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