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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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nördliche Land namens Frankreich ein Vermögen zu machen. Jahrmärkte gibt es immer noch, und das vier Mal im Jahr, aber es geht nicht mehr so rustikal zu. Heute gleicht es eher Leipzig.«
    »Das sagt mir nichts.«
    »Es bedeutet, dass Menschen in Höfen von Handelshäusern stehen, einander anschreien und mit Gütern handeln, die physisch nicht präsent sind.«
    »Aber die Lagerhäuser...?«
    »Dummkopf, die Güter sind nicht in den Handelshäusern präsent. Aber furchtbar fern dürfen sie auch nicht sein, denn sie müssen vor dem Verkauf inspiziert und danach geliefert werden. Ein Großteil des Straßenverkehrs besteht aus commerçants, die sich zu diesem oder jenem Lagerhaus begeben, um sich eine Ladung Seide, Heringe, Feigen, Leder oder sonst etwas anzuschauen.«
    »Das hilft mir, etwas von dem zu verstehen, was an diesem Ort für einen vornehmen Herrn so unverständlich war.«
    »Man würde nie vermuten, dass dort mehr Geschäfte gemacht werden als in ganz Paris. Von der Straße aus gesehen, ist es trostlos. Man kann dort an Einsamkeit oder an Hunger sterben. Erst wenn man in die Häuser kommt, entdeckt man das Innenleben dieser Stadt. Bon-bon, alle Menschen, die vom Handel hierhergelockt worden sind, haben hinter ihren eisenbeschlagenen Türen und geschlossenen Fensterläden kleine Mikrokosmen der Welten geschaffen, die sie in Genua, Antwerpen, Brügge, Genf, Isfahan, Augsburg, Stockholm, Neapel oder wo auch immer sie herkamen, zurückgelassen haben. Wenn man sich in einem dieser Häuser aufhält, könnte man ebenso gut in einer dieser fernen Städte sein. Also denkt Euch Lyon als eine Hauptstadt des Handels und die Straßen um die Place au Change als ihr Diplomatenviertel, wo die Juden, Armenier, Holländer, Engländer, Genueser und alle anderen großen Handelsnationen der Welt ihre Botschaften errichtet haben: Splitter ausländischen Territoriums, eingebettet in ein fernes Land.«
    »Was habt Ihr dort getan, Mademoiselle?«
    »Für Monsieur le Marquis d’Ozoir Bauholz gekauft. Ich brauchte sachverständige Hilfe. Nachdem ich eine Woche in Lyon war, stießen
meine holländischen Kompagnons zu mir: Samuel und Abraham de la Vega nebst ihrem Cousin. Ich hatte ihnen geschrieben, bevor ich aus Dünkirchen abreiste, denn ich wusste, sie waren in London. Der Brief hatte sie in Gravesend eingeholt. Sie hatten ihre Pläne geändert und waren direkt nach Dünkirchen gefahren, wo sie fünf Tage nach meiner Abreise durchkamen. Auf der Durchreise durch Paris rekrutierten sie ihren Cousin, einen gewissen Jacob Gold, und die drei folgten mir und schlugen im Haus eines dortigen Bekannten ihr Lager auf – ein Großhändler in Bienenwachs, das er aus Polen-Litauen importiert.«
    »Jetzt verstehe ich, warum die Sache sechs Wochen dauerte! Zehn Tage, um nach Lyon zu schleichen, eine Woche, um auf das Eintreffen all dieser Juden zu warten...«
    »Die Verzögerung war kein Problem für mich. Ich und mein Personal brauchten ohnehin so lange, um uns von der Reise zu erholen und in Lyon einen Haushalt zu gründen. Monsieur le Marquis d’Ozoir, der Gute, hatte Nachricht vorausgeschickt und dafür gesorgt, dass wir im pied-à-terre eines Menschen, der ihm einen Gefallen schuldete, wohnen konnten. Sobald wir uns etabliert hatten, begann ich unter den Leuten, die die Place au Change frequentieren, Kontakte zu knüpfen. Denn ich wusste, die Brüder de la Vega würden keine Anstrengung scheuen, um den Großhandelsmarkt für Bauholz zu plündern und das beste Holz zu den besten Konditionen zu finden. Aber ihre Anstrengungen wären sinnlos, sofern ich nicht dafür sorgte, dass ein Wechsel aufgesetzt wurde, der die vereinbarte Summe vom Schatzamt des Königs zu demjenigen transferierte, der uns das Bauholz verkaufte. Ebenso würden wir auch mit dem Verschiffer eine Vereinbarung treffen und die Fracht versichern lassen müssen, et cetera. Also hätten die de la Vegas, selbst wenn sie gleichzeitig mit mir eingetroffen wären, einige Tage lang nur wenig zu tun gehabt. Und die Notwendigkeit, den kleinen Jean-Jacques zu stillen, führte zu den absurdesten Komplikationen.«
    Dies zu erwähnen war ein Fehler, denn nun wanderte Rossignols Blick von Elizas Gesicht zu ihrer linken Brust. Vorhin hatte sie ein Laken um sich geschlungen, doch das war heruntergerutscht, als sie mit ihm gerangelt hatte.
    »Die de la Vegas luden mich ein, sie in dem Bienenwachs-Lagerhaus zu besuchen, wo sie wohnten.«
    Rossignol verdrehte spöttisch die Augen.
    »Hätte

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