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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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große Geldströme fließen.«
    »Was genau machen sie eigentlich?«, wollte Abraham wissen.
    »Geld verleihen, Transaktionen vornehmen, genau wie andere Banken auch. Ihre eigentliche Spezialität aber ist die Beförderung von Edelmetall nach Genf. Wisst Ihr noch, wie ich Euch darauf hinwies, dass es einen Abschlag geben würde, wenn Ihr Euren Verdienst hier in Edelmetall umwandelt? Eigentlich hättet Ihr Euch fragen müssen, wohin das fehlende Geld in einem solchem Falle verschwindet. Die Antwort lautet, dass es in den Truhen Lothar von Hacklhebers landet.«
    Monsieur Wachsmann rappelte sich hoch und ging ein, zwei Mal auf der Terrasse hin und her, ehe er fortfuhr.

    »Ich handle mit Wachs. Ich weiß, wo Wachs herkommt, wo es hingeht und wie viel Wachs unterschiedlicher Sorten unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten wert ist. Ich sage euch: Was ich für Wachs bin, ist Lothar von Hacklheber für Geld.«
    »Ihr meint Gold? Silber?«
    »Alle Arten. Metalle in Barren, ungemünzter oder gemünzter Form, Papier oder Buchhaltungswährungen wie unsere ecus au soleil. Für mich ist Geld offen gestanden ziemlich mysteriös; doch für ihn ist das alles so einfach wie Wachs. Jedenfalls hat man diesen Eindruck; wie Honigwaben in einem Kessel zerschmilzt es und wird in eins konfundiert.«
    »Dann werden wir zu seinem hiesigen Agenten gehen und mit ihm reden«, sagte Eliza.
    »Einverstanden«, sagte Samuel de la Vega, »aber ich sage Euch: Wenn sie hier einfach nur ein paar Münzen herumliegen hätten, könnten wir das Ganze in einer Stunde erledigen. Dass dieses System funktioniert, kann ich nicht leugnen; aber dieses Dépôt erinnert mich an bestimmte Dörfer hoch in den Alpen, wo die Leute zu lange untereinander geheiratet haben.«
     
    »Am nächsten Tag«, fuhr Eliza fort, »lernte ich Gerhard Mann kennen, den Hacklheber’schen Agenten in Lyon.«
    Sie lockerte ihren Griff um Bonaventure Rossignols Hoden. Denn am Ende war ihr nur diese Möglichkeit eingefallen, Bon-bons Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, während sie sich über ecus au soleil, das Dépôt etc. verbreitet hatte. Doch die Erwähnung des Namens Hacklheber ließ Rossignol aufhorchen.
    »Lothar von Hacklheber«, fuhr sie fort, »gehört zu den Menschen, denen es ein Gräuel ist, wenn Angestellte die Nachmittage damit vergeuden, dass sie im Kaffeehaus Kaffee trinken.«
    »Das kann ich mir vorstellen!«
    »Er hat dafür gesorgt, dass Mann mehr Arbeit hat, als er bewältigen kann. Dies zwingt ihn dazu, Prioritäten zu setzen. Ständig saust er wie ein Kavalier zu Pferde in der Stadt herum. Kutschen sind ihm zu langsam. Die Zusammenkunft zu vereinbaren war absurd schwierig. Es erforderte ein halbes Dutzend Briefwechsel. Schließlich tat ich das, was am einfachsten war, das heißt, ich rührte mich nicht aus dem pied-à-terre und wartete darauf, dass er zu mir kam. Er kam natürlich genau
in dem Moment angaloppiert, als ich gerade begonnen hatte, Jean-Jacques zu stillen. Anstatt ihn also wieder forzuschicken, bat ich ihn herein und forderte ihn auf, sich mir am Tisch gegenüberzusetzen, während Jean-Jacques noch an meiner Titte hing.«
    »Entsetzlich!«
    »Aber ich stellte ihn damit auf die Probe, Bon-bon, um festzustellen, ob er davon entsetzt war.«
    »Und? War er es?«
    »Er tat so, als bemerke er es nicht, was ihm nicht eben leicht fiel.«
    Rossignol schauderte. »Worüber habt ihr geredet?«
    »Über Lothar von Hacklheber.«
     
    »Ihr habt ihn in Leipzig kennen gelernt?«, fragte Mann.
    »Im Zusammenhang mit einem Silberminenprojekt im Harz«, sagte Eliza, »in das er nicht zu investieren beschloss: eine seiner scharfsinnigen Entscheidungen.«
    Eliza erklärte Mann, was sie vorhatte. Er dachte eine Weile darüber nach. Zuerst sah sie Besorgnis oder gar Furcht in seinem Gesicht, was sie argwöhnen ließ, dass er es eigentlich nicht tun wollte, aber nur ungern ablehnte, aus Angst, was er wohl dazu sagen würde, wenn Eliza zu ihm ginge und schmollte. Mann war ein junger Mann – das musste er auch sein, um so, wie er arbeitete, sehr lange durchzuhalten -, und Eliza erkannte deutlich, dass er hierherversetzt worden war, um sich zu beweisen oder zu scheitern, sodass er entscheiden konnte, wo er Mann als Nächstes hinschickte. Mann hatte blaue Augen, die ein bisschen zu nahe beinanderstanden, und eine breite, dermaßen ausdrucksvolle Stirn, dass Eliza in deren Falten und Wellen seine Gefühle lesen konnte wie Sonette auf

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