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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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dass ich einige Zeit auf Reisen war. Und nun, da ich endlich hier bin, gibt es so viel zu tun!«
    »Bald wird das alles hinter Euch liegen, Mademoiselle, und dann könnt Ihr die Jahreszeit genießen! Ihr solltet Euch etwas ausruhen. Diese soirée, die Madame la Duchesse d’Arcachon morgen gibt...«

    »Ja. Ich muss meine Kräfte schonen, wenn ich auch nur ein Drittel davon in wachem Zustand erleben will.«
    »Ich hoffe doch, wir werden mehr Gelegenheit haben, uns zu unterhalten, wenn Ihr Euch von der Reise erholt habt. Wie Ihr wisst, bin ich noch recht neu im Amt des contrôleur-général . Ich habe die Position natürlich mit Freuden angenommen... doch nun, da ich ein paar Monate Zeit gehabt habe, mich einzuarbeiten, finde ich sie noch weit interessanter, als ich mir je vorgestellt hätte.«
    » Jeder stellt sich vor, dass sie in finanzieller Hinsicht interessant ist.«
    »Natürlich«, sagte Pontchartrain, der ihr Amüsement teilte. »Aber so habe ich es nicht gemeint.«
    »Natürlich nicht, Monsieur, denn Ihr seid ein intelligenter Mann, dessen Ansporn nicht das Geld ist – unter anderem deshalb ist die Wahl Seiner Majestät auf Euch gefallen! Doch nun, da Ihr hier seid, findet Ihr es geistig faszinierend.«
    »In der Tat, Mademoiselle. Aber Ihr seid einer der wenigen Menschen in Versailles, der das verstehen kann.«
    »Daher auch Euer Wunsch, das Gespräch fortzuführen. Ja, ich verstehe.«
    Pontchartrain schloss die Augenlider und senkte den Kopf um eine Winzigkeit, dann öffnete er die Augen wieder – sie waren groß und schön – und lächelte sie an.
    »Kennt Ihr Bonaventure Rossignol, Monsieur?«
    Das Lächeln erstarb. »Ich habe von ihm gehört, Mademoiselle, aber...«
    »Auch er fühlt sich wie ein Fisch auf dem Trockenen.«
    »Er wohnt nicht einmal hier, nicht wahr?«
    »Er wohnt in Juvisy. Aber er wird morgen in La Dunette sein. So wie Ihr, will ich hoffen?«
    »Madame la Duchesse hat uns mit einer Einladung beehrt. Wir möchten es beide um keinen Preis versäumen.«
    »Sprecht mich dort an, Monsieur. Ich werde Euch Monsieur Rossignol vorstellen, und dann werden wir einen neuen salon gründen, beschränkt auf Menschen, die Zahlen mehr als Geld lieben.«
     
    »Ah, da kommt endlich unsere Anstandsdame!«
    »Unsere Anstandsdame !?«
    »Aber natürlich, Monsieur Rossignol. Madame la Duchesse wird sich uns anschließen. Sonst würden wir ins Gerede kommen! Und
seht, Monsieur le Comte de Pontchartrain kommt ebenfalls! Ich wollte ihn Euch vorstellen.«
    Dieser Name reichte aus, um Rossignol zu veranlassen, den Kopf zu drehen oder es zumindest zu wollen. Doch dieser Kopf war von einer Perücke eingefasst, die auf seine Schultern herabwallte, um welche er eine schwere Wolldecke drapiert hatte, sodass eigenständige Bewegungen von Kopf und Oberkörper wenig ratsam erschienen. Er erhob sich und löste dabei kleine Lawinen aus – denn er und Eliza warteten schon so lange in dem offenen Schlitten, dass sich auf ihrem Schoß kleine Verwehungen gebildet hatten. Während er sich wankend umdrehte, um den Parkeingang von La Dunette zu sehen, erinnerte er Eliza an eine auf der Handfläche eines Jongleurs balancierte Keule. Äußerlich hatte er vieles mit Pontchartrain gemeinsam; doch wo die Augen des Grafen warm und braun waren, waren die von Rossignol heiß und schwarz. Und die Hitze rührte nicht von Leidenschaft her, sofern man die Leidenschaft für seine Arbeit nicht mitrechnete.
    Ein Blockflötenlauf – Fragment irgendeines Menuetts – drang einen Moment aus der Tür, als Diener sie öffneten. Pontchartrain trat heraus, blickte auf, blinzelte in das Schneegeriesel und vollführte eine Pirouette zu seiner Gastgeberin, die zurückgefallen war und ihn unter Missachtung jeglicher Vortrittsregel vorwärtsscheuchte. Eine Aurora von roter Seide erblühte um sie, als sie ein Umschlagtuch hervorholte und es auf ihre Perücke herabschweben ließ. Mit Fingern, deren Beweglichkeit durch Kälte, Fett und Arthrose eingeschränkt war, verknotete sie es unter einem ihrer Kinne, nahm dann den von Pontchartrain gebotenen Arm und trat mit größerer Behutsamkeit, als eigentlich gerechtfertigt war, in den gefrorenen Park hinaus. Die Kieswege in der Nähe des Châteaus waren von Schnee geräumt worden; der Schlitten stand einen Steinwurf weit entfernt auf einem Pfad, der in den Jagdwald des Grafen führte. Gäste strömten zur Tür und an die beschlagenen Fenster, um die Herzogin zu verabschieden, als führe sie nach Surinam und

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