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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Stallburschen fanden sich ein und halfen Pontchartrain, ihr in den Schlitten zu helfen. Sie war eine üppige Frau, und als sie ihr Gewicht auf die Bank gegenüber Eliza und Rossignol warf, gerieten die Kufen auf dem Schnee in Bewegung, und der Schlitten glitt ein paar Zoll rückwärts. Alle drei Insassen stießen einen Schrei aus: die Herzogin, weil sie erschrak, Eliza, weil sie es amüsant fand, und Bonaventure Rossignol, weil Eliza unter der Decke ihre kalte Hand in seine Hose geschoben und seinen Penis gepackt hatte, als handelte es sich um eine Rettungsleine. Gleich darauf nahm der Graf neben der Herzogin Platz. Die Pferde – ein Gespann aus zwei zueinander passenden Albinos – gingen fast durch, so ungeduldig waren sie vor Kälte, und es setzte derbe Worte vom Kutscher. Doch dann fielen sie in Trab. Die vier Insassen winkten den Gästen im Haus zu, die mit ihren Taschentüchern über die beschlagenen Fensterscheiben wischten. Eliza winkte nur mit einer Hand. Nach anfänglichem Schrumpfen hatte Rossignol so rasch eine Erektion bekommen, dass sie um seine Gesundheit fürchtete. Er hatte sich gewunden und
sie mit funkelnden Blicken bedacht, aber nur so lange, bis ihm klar wurde, dass die Situation vollkommen hoffnungslos war; jetzt saß er ganz still und hörte der Herzogin zu oder tat wenigstens so.
    Sie war matronenhaft, anständig und wirklich beliebt, die lebendige Verkörperung der traditionellen Lavardac’schen Tugenden: schlichte, aufrichtige Loyalität gegenüber König und Kirche, in dieser Reihenfolge und ohne das übliche Intrigantentum. Mit anderen Worten, sie war genau das, was ein Mensch von Erbadel sein sollte, wodurch sie für den König zugleich ein Aktivposten und eine Belastung war. Indem sie ihn blind unterstützte und stets das Richtige tat, machte sie ihre Familie zu einem Bollwerk seiner Herrschaft. Doch indem sie echten Adel an den Tag legte, lieferte sie implizit gute Argumente für den Gedanken eines Erbadels mit viel Macht und Verantwortung, neben dem sich die Neuankömmlinge – einschließlich Eliza – wie hinterlistige Parvenüs ausnahmen. Während Eliza in der Kutsche der Herzogin saß und kräftig den erigierten Penis des königlichen Kryptoanalytikers massierte, musste sie einräumen, dass diese Argumente stichhaltig waren; sie räumte es allerdings nur sich selbst gegenüber ein. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich mit dem zu behelfen, was sie hatte – und im Augenblick war das gar nichts außer einer Handvoll Rossignol. Noch immer besaß sie nicht mehr als ein paar Münzen.
    Der Schlitten glitt rasch über den Pfad, der für die Partie präpariert worden war. In wenigen Augenblicken gelangten sie aus dem Park in eine Gruppe von Gebäuden, die dank geschickter Landschaftsgestaltung von den Fenstern von La Dunette aus nicht zu sehen war. Der Mistgeruch aus dem Jagdstall von Louis-François de Lavardac d’Arcachon wurde unvermittelt von einer nach Lavendel duftenden Dampfwolke vertrieben, die von der offenen Seite eines Schuppens aufstieg, in dem ein Diener in einem Kessel über einem großen qualmenden Feuer rührte.
    »Ihr macht hier Eure eigene Seife?«, sagte Eliza. »Der Duft ist wunderbar.«
    »Aber natürlich, Mademoiselle!«, sagte die Herzoin, erstaunt darüber, dass Eliza dies erwähnenswert fand. Dann fiel ihr etwas ein: »Ihr solltet sie auch benutzen.«
    »Ich nehme Eure Gastfreundschaft schon allzu sehr in Anspruch, Madame. Paris ist so wohlversehen mit Parfümiers und Seifenmachern, dass ich gern dorthin...«

    »O nein!«, rief die Herzogin aus. »In Paris – von Fremden – dürft Ihr keinesfalls Seife kaufen! Zumal da Ihr auch an den Waisenknaben denken müsst!«
    »Wie Ihr wisst, Madame, befindet sich der kleine Jean-Jacques mittlerweile in der Obhut der Jesuitenpatres. Sie stellen wahrscheinlich ihre eigene Seife her...«
    »Das will ich ihnen auch geraten haben!«, sagte die Herzogin. »Aber Ihr bringt ihm manchmal Kleider. Ihr werdet sie hier waschen lassen, mit meiner Seife.«
    Eliza war es im Grunde gleich, und sie gab gern ihre Zustimmung, da die Herzogin von Arcachon so sehr darauf bestand; falls sie einen Augenblick zögerte, dann nur deshalb, weil sie ein wenig verblüfft war.
    »Ihr solltet die Seife der Herzogin verwenden, Mademoiselle«, sagte Pontchartrain sehr bestimmt.
    »Ganz recht!«, ließ sich Rossignol vernehmen – der angesichts der Umstände wohl noch eine ganze Weile ziemlich einsilbig sein würde.
    »Ich nehme Eure Seife mit

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