Confusion
Parlament gewählt. In Cambridge hatte er sich damit einen Namen gemacht, dass er sich gegen die Bemühungen des früheren Königs wandte, die Universität mit Jesuiten zu durchsetzen. Er verbrachte einen Großteil des vergangenen Jahres in London, zum Entsetzen derjenigen von uns, die es lieber sähen, wenn er mehr Werke nach Art der Principia Mathematica hervorbrächte. Er und Euer Freund Fatio sind die engsten Gefährten geworden und teilen sich hier eine Wohnung.
POSTSKRIPTUM – FEB. 1690
Nachdem ich das Obige geschrieben hatte, aber noch bevor ich es aufgeben konnte, haben König Wilhelm und Königin Mary das Parlament vertagt und aufgelöst. Es hat Neuwahlen gegeben, und die Tories haben gesiegt. Isaac Newton ist kein Abgeordneter mehr. Er teilt seine Zeit zwischen Cambridge, wo er sich mit der Alchimie abmüht, und London, wo er und Fatio die Abhandlung über das Licht unseres Freundes und einstigen Tischgenossen
Huygens lesen. Womit ich nur sagen will, dass ich für Euch jetzt noch weniger zu gebrauchen bin als vor einem Monat; denn ich gehöre einer Society auf dem absteigenden Ast an, die mit einer Partei verbunden ist, welche die Macht verloren hat und über kein Geld verfügt, da es im ganzen Königreich keines zu holen gibt. Unser brillantester Fellow widmet sich anderen Fragen. Es wäre anmaßend von mir, Antwort auf einen Brief zu erwarten, der so bar allen nützlichen Inhalts ist wie dieser; aber es wäre unverschämt von mir gewesen, nicht auf Euren zu antworten; denn ich bin, wie stets, Euer untertänigster und gehorsamster Diener -
Daniel Waterhouse
Brief von Eliza an Daniel
APRIL 1690
NEWTON möchte uns glauben machen, die Zeit werde vom Ticken von Gottes Taschenuhr abgemessen, sei stetig und unveränderlich, ein absolutes Maß jeglicher merkbaren Bewegung. LEIBNIZ neigt der Auffassung zu, die Zeit sei nicht mehr und nicht weniger als die Veränderung der Beziehungen der Objekte zueinander – die Beobachtung von Bewegung versetze uns in die Lage, die Zeit zu entdecken, und nicht umgekehrt. NEWTON hat sein System zur Zufriedenheit, ja Verblüffung der Welt dargelegt, und ich kann darin keinen Fehler finden; doch das System von Leibniz, obgleich noch nicht ausgearbeitet, beschreibt meine eigene subjektive Wahrnehmung von Zeit zutreffender. Soll heißen, im Herbst letzten Jahres, als ich und alles um mich herum in ständiger Bewegung war, hatte ich den Eindruck, dass viel Zeit verging. Doch kaum war ich in Versailles angekommen, hatte mich in meinem Cottage auf der Domäne La Dunette, auf dem Hügel von Satory oberhalb von Versailles eingerichtet, meine Haushaltsangelegenheiten in Ordnung gebracht und einen festen Tagesablauf etabliert, vergingen plötzlich vier Monate wie im Fluge.
Das Ziel, dessentwegen man mich Anfang Dezember nach Versailles
geschickt hatte, war noch vor Weihnachten erreicht, und seither bestand alles in Detailarbeit. Wahrscheinlich sollte ich nach Dünkirchen zurückkehren, wo ich mich nützlicher machen könnte. Aber ich werde hier durch verschiedene Bande festgehalten, die mit der Zeit nur noch stärker werden. Jeden Morgen reite ich den Hügel hinab durch einen kleinen Waldgürtel unmittelbar südlich der Pièce d’eau des Suisses, welche die Ländereien der Lavardacs von der königlichen Domäne Versailles trennt. Das bringt mich hinunter in den alten Weiler Versailles, außerhalb der Palastmauern, der dabei ist, zu einem Dorf anzuwachsen. Diverse Mönchs- und Nonnenklöster sowie eine Pfarrkirche haben hier Wurzeln geschlagen, seit der König vor acht Jahren seinen Hof hierherverlegte, und in einem davon, dem Convent de Sainte-Genevieve, ist mein kleiner »Waisenknabe« zu Hause. Wenn das Wetter gut ist, nehme ich ihn mit auf einen Spaziergang um den Gemüsegarten des Königs herum: ein Ausläufer des Parks von Versailles, der sich mitten in das Städtchen hinein erstreckt. Da es sich um einen Nutzgarten handelt, dessen Zweck darin besteht, Nahrungsmittel hervorzubringen, ist er weder so aufwändig gestaltet noch so modisch wie die Parterres westlich des Château. Aber dafür gibt es hier für kleine Augen mehr zu sehen und für kleine Hände mehr zu greifen, zumal jetzt, da der Frühling kommt. Die Gärtner sind unentwegt damit beschäftigt, ihre Spaliere zu reparieren, denn sie rechnen damit, dass sich in ein paar Monaten Erbsen und Bohnen daran emporranken werden; und nach der gedankenvollen Art zu urteilen, wie der kleine Jean-Jacques diese Gebilde
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