Confusion
mir ungemein gefallen. Der ›Fall von Batavia‹. Dass Ihr mir Euer Vermögen geliehen habt. Dass Ihr Jean Bart nach Versailles gebracht habt. Eure jüngsten Bemühungen für die Compagnie du Nord. Andere Dinge, wie etwa die Sache mit der Spionage, missfallen mir – obgleich ich sie nun besser verstehe. Es ist gut, dass wir dieses Gespräch geführt haben.«
Eliza blinzelte, schaute in die Runde und begriff, dass die Musik aufgehört hatte und alle sie anschauten.
»Ich danke Euch, Mademoiselle«, sagte der König.
Eliza knickste.
»Eure Majestät...«, sagte sie, aber er war bereits verschwunden, verschluckt von seinem Hofstaat, einem Schwarm teuer geschnürter Taillen und gekämmter Perücken.
Eliza ging in eine Ecke, um Kaffee zu trinken und nachzudenken. Menschen folgten ihr – ihr eigener kleiner Hofstaat aus Kleinadeligen und Freiern. Sie ignorierte sie nicht direkt, da sie sie eigentlich gar nicht wahrnahm.
Was war passiert? Sie bräuchte einen privaten Stenographen, damit sie sich die Mitschrift noch einmal vorlesen lassen könnte.
Sie hatte den König unabsichtlich auf einen falschen Gedanken gebracht.
» Genießt Ihr die Soirée, Mademoiselle?«
Es war Pater Édouard de Gex.
»Ungemein, Hochwürden, obgleich ich gestehen muss, dass mir der kleine Waisenknabe fehlt – er hat mir in den Wochen unseres Zusammenseins das Herz gestohlen.«
»Dann könnt Ihr jederzeit, wenn Euch nach einem Besuch zumute ist, ein kleines Stück von Eurem Herzen zurückhaben. Monsieur le Comte d’Avaux hat keine Mühe gescheut, um sicherzustellen, dass der Knabe bequem untergebracht ist. Er hat vorausgesagt, dass Ihr häufig zu Besuch kommen werdet.«
»Ich stehe in der Schuld des Grafen.«
»Das tun wir alle«, sagte de Gex. »Der kleine Jean-Jacques ist ein prächtiger Bursche. Ich sehe nach ihm, wann immer ich einen Moment erübrigen kann. Ich hoffe, vollenden zu können, was von Euch begonnen und von d’Avaux fortgeführt wurde.«
»Und das wäre – was genau?«
»Ihr habt den Knaben dem physischen und dem seelischen Tod entrissen – dem Krieg und den Lehren der Ketzer. D’Avaux hat dafür gesorgt, dass er in das beste Waisenhaus Frankreichs und in die Obhut der Gesellschaft Jesu kam. Mir scheint, der naheliegende Höhepunkt wäre, dass ich ihn zu einem Jesuiten erziehe.«
»Ich verstehe, ja...«, sagte Eliza träumerisch, »damit der kleine Lavardac-Bastard nicht für weitere Komplikationen sorgt, indem er sich fortpflanzt.«
»Wie meinen, Mademoiselle?«
»Bitte verzeiht, ich bin nicht ganz bei mir!«
»Das scheint mir auch so!« De Gex errötete sogar, was in seinem Gesicht eine deutliche Veränderung zum Besseren bewirkte. Er war ein dunkler Typ, dessen Nasenbein und Jochbeine stark hervortraten und der durchaus hätte attraktiv wirken können; doch gewöhnlich war er sehr blass, weil er zu viele Stunden in dunklen Beichtstühlen verbrachte, wo er sich die geheimen Sünden des Hofes anhörte. Mit leicht rosigen Wangen hatte er plötzlich etwas beinahe Einnehmendes.
»Bitte«, sagte Eliza, »ich bin noch immer ganz verwirrt von der Erinnerung an den Tanz mit dem König.«
»Gewiss, Mademoiselle. Doch wenn Ihr Eure Fassung zurückgewonnen habt und Euch wieder Eurer Umgangsformen erinnert, würde meine cousine gern ihre Bekanntschaft mit Euch erneuern.« Er
richtete seinen brennenden Blick auf eine Ecke, in der die Duchesse d’Oyonnax einem armen jungen Baron, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, lächelnd in die Augen schaute.
De Gex entfernte sich.
Sie hatte dem König die Wahrheit gesagt. Denn an dem Tag, an dem man sie gegen den Albino-Hengst eingetauscht und auf eine nach Konstantinopel gehende Galeere geschafft hatte, hatte sie sich geschworen, den Mann zu finden und zu töten, der dafür verantwortlich war, dass sie und ihre Mutter überhaupt zu Sklavinnen geworden waren. Außer Jack Shaftoe hatte sie das niemandem je verraten; doch nun hatte sie es unerklärlicherweise dem König preisgegeben, und zwar voller Überzeugung, denn es stimmte wirklich; und er hatte ihren Gesichtsausdruck gesehen und ihr jedes Wort geglaubt.
»Dank Euch habe ich morgen viel zu tun, Mademoiselle.«
Es war Pontchartrain, der sie erneut mit einem gütigen Lächeln bedachte.
»Wie das, Monsieur?«
»Die Geschichte von Jean Barts Heldenmut hat den König so bewegt, dass er mich angewiesen hat, Mittel für die Flotte und für die Compagnie du Nord freizugeben. Ich soll morgen an seinem Levée teilnehmen,
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