Confusion
betrachtet, wird er wie ein kleines Eichhörnchen daran emporklettern, noch bevor er laufen gelernt hat. Manchmal gehen wir auch ein Stückchen weiter, in die Orangerie, eine riesige, überwölbte Galerie, die drei Seiten eines rechteckigen Parks einfasst und nach Süden hin offen ist, sodass ihre verglasten Wände die Wärme der Wintersonne einfangen und sie in Stein speichern können. Hier wachsen winzige Orangenbäume in Holzkästen und warten darauf, dass der Sommer kommt, damit die Gärtner sie ins Freie schaffen können, und der kleine Jean-Jacques ist fasziniert von den grünen Kugeln, die sich zwischen ihren dunklen Blättern finden.
Zur gegebenen Zeit bringe ich ihn wieder nach Ste-Genevieve, zu einer Verabredung mit einer Amme. Ihr denkt vielleicht, dass
ich mich dann direkt in das Château begebe, um mich in das Treiben bei Hofe zu stürzen. Aber ich kehre öfter noch einmal um und reite durch den Bois de Satory nach La Dunette zurück, wo ich mich verschiedenen Angelegenheiten widme. In meinen ersten Monaten hier waren diese finanzieller, doch mittlerweile sind sie eher gesellschaftlicher Natur. Ihr dürft jedoch nicht vergessen, dass La Dunette nicht weiter vom großen Château des Königs entfernt ist als der Trianon-Palast und viele andere Teile der königlichen Domäne; man kommt sich also gar nicht wie an einem von Versailles getrennten Ort, sondern eher wie in einem Außengebäude des königlichen Gutes vor. Diese Illusion wird noch von der Architektur verstärkt, die von demselben Mann stammt, der auch das Château des Königs entworfen hat.
Die Ländereien von La Dunette breiten sich über das Plateau von Satory, eine kleine Hochebene, die sich vom bewaldeten Rand einer Erhebung – diese gewährt Aussicht auf die Pièce d’eau des Suisses und den Südflügel des königlichen Schlosses – südwärts erstreckt. Der Wald entzieht dieses Land dem direkten Blick des Dauphin, der Dauphine und anderer Mitglieder der königlichen Familie, die im Südflügel des Palastes wohnen. Doch hat man diesen Schirm von Bäumen einmal durchdrungen, ähnelt die Domäne der de Lavardacs in jeder Hinsicht den viel größeren königlichen Anlagen, die hügelabwärts liegen. Das heißt, sie ist hier und da durch große, pompöse Steinmauern unterteilt, in die stellenweise massive Eisengitter eingesetzt sind; und diese Mauern enden in Ziegelstein-Cottages, die wohl an Wachthäuser gemahnen sollen. Soweit ich das erkennen kann, dienen sie keinem praktischen Zweck. Es gibt sie, weil sie hübsch aussehen, wie die Knäufe am Ende eines Geländers. Die Domäne La Dunette enthält vier solcher Cottages. Zwei sind innen noch nicht fertig, bei einem wird gerade das Dach repariert. Ich wohne im vierten. Es bietet gerade genug Platz für meinen kleinen Haushalt. Es schmiegt sich an den Waldsaum von Satory, sodass ich, wann immer es mir gefällt, zur Hintertür hinausschlüpfen und nach Versailles hinunterreiten kann, ohne einen der Kieswege queren zu müssen, die sternförmig vom großen Château von La Dunette ausgehen. Ich tue das häufig, etwa wenn ich mich zum Palast begebe, um an einem Diner oder am Couchée irgendeiner Herzogin oder Prinzessin teilzunehmen. Und so führe ich hier eine von
den de Lavardacs weitgehend unabhängige Existenz. Mindestens einmal die Woche jedoch begebe ich mich in die Hauptresidenz, um unter der Aufsicht von Madame la Duchesse d’Arcachon mit Étienne ein Abendessen einzunehmen.
Monsieur le Duc d’Arcachon habe ich nie kennen gelernt. Während meines früheren Lebens in Versailles als Gouvernante habe ich ihn, umringt von anderen großen Tieren, einige Male von fern gesehen, aber meine gesellschaftliche Stellung war so bescheiden, dass sich keine Umstände ergaben, unter denen ich ihn hätte kennen lernen können. Später wurde mein Rang erhöht, doch da war er im »Süden« und widmete sich irgendwelchen Geschäften. Einen Großteil des Jahres 1689 hielt er sich in Versailles auf, während ich abwesend war; dann kehrte er, ein paar Wochen bevor ich im Dezember dorthin kam, in den »Süden« zurück. Er wurde zu Weihnachten zurückerwartet, aber dies und das hat ihn bislang ferngehalten. Ein paarmal die Woche bekommt Madame la Duchesse einen Brief aus Marseille, wo Monsieur le Duc sich um die Galeeren der Mittelmeerflotte kümmert, oder aus Lyon, wo er mit den Geldgebern des Königs zusammentrifft und Lebensmittel, Pulver etc. kauft, oder aus Arcachon, wo er sich um Familienangelegenheiten
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