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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Place d’Armes, hatten die Franziskaner vor ihrem Kloster ein Freudenfeuer entzündet und tanzten im Kreis darum herum; ab und zu wehten mit einem Windstoß ein paar Töne ihres Liedes vorbei. Am Grand Canal, einer eine Meile langen Wasserrinne, die entlang der Mittelachse des königlichen Parks vom Château wegführte, war eine weitere Feier im Gange. Vom Pavillon aus nahm man sie als Gewühl von Perückenträgern wahr. Sogar die Stallburschen auf der Place d’Armes hatten ein Freudenfeuer entfacht, das Hunderte von Bürgerlichen angezogen hatte: Stadtbewohner, Dienstboten von Versailles und von nahegelegenen Herrenhäusern sowie Landleute, die die Rauchsäulen gesehen und das Glockenläuten gehört hatten und gekommen waren, um herauszufinden, was es mit der ganzen Begeisterung auf sich hatte. Viele von ihnen hatten wahrscheinlich nur die verschwommenste Vorstellung davon, wer Wilhelm von Oranien und warum sein Tod ein Grund zur Freude war; aber das hielt sie nicht davon ab, ausgelassen zu feiern.
    Étienne d’Arcachon erhob sein Glas und brachte die kleine Schar um den Pavillon zum Schweigen. »Einen Toast auf den Tod des Prinzen
von Oranien 6 auszubringen wäre ungehobelt, obwohl er ein perfider und ketzerischer Usurpator und ein Feind Frankreichs war«, sagte er. Diese Rede stürzte, da zweideutig, die Gäste – die allesamt mit erhobenen Gläsern auf Zehenspitzen standen – in tiefe Verwirrung. Sie erstarrten so lange, dass Étienne sich aus seiner selbstgeschaffenen rhetorischen Zwickmühle befreien konnte: »Aber auf den Sieg der Franzosen, der freien Engländer und der Iren in der Schlacht am Boyne anzustoßen ist ehrenhaft.«
    Sie taten es.
    »Das einzige Ereignis«, fuhr Étienne fort, »das den Tag noch ruhmreicher gestalten könnte, wäre ein Sieg zu Wasser, der dem zu Lande entspräche; und voilà, Gott hat unsere Gebete erhört. Die französische Flotte, deren Großadmiral zu sein mein Vater die hohe Ehre hat, hat die Engländer und die Holländer vor Beachy Head in die Flucht geschlagen und bedroht nun sogar die Themsemündung. Frankreich siegt an allen Fronten: zu Wasser, in Irland, in Flandern und in Savoyen. Auf Frankreich!«
    Gegen diesen Toast war nichts einzuwenden. Alle tranken. Es folgte ein Toast »auf den König«, dann auf »den König von England«, womit James gemeint war, dann auf »Monsieur le Duc«, ein Toast, den dieser auslassen musste, da es ungehörig war, sich selbst zuzutrinken. Diener mit umwickelten Magnumflaschen in den Armen eilten umher und füllten die Gläser für die nächste Runde nach. Dann erhob Monsieur le Duc sein Glas: »Auf die Gräfin de la Zeur, die so viel getan hat, um der Flotte ihre Stärke zu verleihen.« Was Eliza zu der Erwiderung zwang: »Auf Kapitän Jean Bart, der sich, so heißt es, auf seinem Schiff Alcyon vor Beachy Head abermals auszeichnete!«
    Madame la Duchesse, die durch ein spektakuläres Instrument auf Versailles hinunterspähte, sorgte nun durch folgende Worte für eine Kontroverse: »Louis-François, die Feiernden entlang dem Canal feiern nicht den Tod des Prinzen von Oranien, sie feiern Euch !« , und sie reichte ihrem Mann einen Caduceus aus Gold und Silber (Emblem des Merkur, des Bringers von Informationen), mit Linsen, die geschickt in die Augen der beiden den Mittelstab umwindenden Schlangen eingepasst waren. Der Herzog hob ihn vor sein Gesicht, als rechnete er damit, dass die Schlangen ihre Giftzähne in seine Wangen schlagen würden, und blinzelte heftig in die Optik. Doch jeder, der
gute Augen hatte, konnte sehen, dass sich ein paar vergoldete Barken auf die Wellchen des Grand Canal gewagt hatten und dort in einer improvisierten Neuinszenierung der Schlacht von Beachy Head herumfuhrwerkten. Während die Kombattanten Bootspaddel schwangen, um Gischtsalven aufzuwerfen, stiegen hier und da weiße Wasserfontänen auf, die aus dieser Entfernung wie Kanonenqualm aussahen. Von Zeit zu Zeit hallten vom Tal von Galie der musketenartige Knall eines aufs Wasser klatschenden, mit Elfenbein eingelegten Paddels oder eines entzweibrechenden Ruderschaftes herauf. Ein betrunkenes Enterkommando, vielleicht noch befeuert von der Erinnerung an den einige Monate zurückliegenden Besuch Jean Barts, sprang, sich nach Piratenmanier an seidenen Seilen schwingend, von einem Boot auf ein anderes, krachte in die brokatenen Sonnensegel, riss die Elfenbeinund Buchsbaumpfosten der Zelte um und zerschmetterte die samtenen Sitzmöbel. Angesichts dieses

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