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Congo

Congo

Titel: Congo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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stattgefunden — in den Kolonialstädten der Belgier, an Flußufern, an den unbefestigten Straßen, die sich wie ein rotes Band durchs Land zogen. Niemand wollte im Dschungel kämpfen. Den Söldnern war er verhaßt, und die abergläubischen Simba hatten Angst vor ihm. Beim Vorrücken der Söldner flohen die Aufständischen oft in den Dschungel, aber nie sehr weit, und Munros Soldaten folgten ihnen nicht dorthin, sondern warteten einfach, bis sie wieder herauskamen. Auch in den sechziger Jahren blieb der Dschungel unbekanntes Land, ein Reich, in das die Mittel der modernen hochtechnisierten Kriegführung nicht recht einzudringen vermochten.
    Und das hatte seinen guten Grund, dachte Munro.
    Der Mensch gehörte einfach nicht hierher. Munro freute sich absolut nicht, wieder im Dschungel zu sein.
    Elliot, der noch nie im Regenwald gewesen war, war fasziniert. Der Dschungel war anders, als er ihn sich vorgestellt hatte. Er war nicht darauf gefaßt, daß alles so riesig war — die gigantischen Bäume, die hoch über ihm himmelwärts strebten, mit Stämmen groß wie Häuser und dicken, moosbedeckten Wurzeln, die sich am Boden wanden.
    In dem weiten Raum unter den Bäumen kam man sich vor wie im Dämmerlicht einer Kathedrale: Die Sonne war völlig ausgesperrt, und am Belichtungsmesser seines Fotoapparats konnte er keinen Zeigerausschlag beobachten.
    Auch hatte er sich den Dschungel weit dichter vorgestellt, als er sich nun zeigte. Sie konnten frei und unbehindert hindurchziehen. Dieser Wald schien auf eine überraschende Weise öde und still zu sein — zwar hörte man gelegentlich einen Vogelruf und kreischende Affen, aber sonst lag über allem tiefe Stille. Außerdem war alles seltsam monoton:
    Obwohl er im Blattwerk und in den Schlingpflanzen jede Schattierung von Grün bemerken konnte, gab es nur wenige Blumen oder Blüten. Sogar die hier und da wachsenden Orchideen sahen blaß und gedämpft aus. Er hatte erwartet, überall Fäulnis und Moder vorzufinden, aber auch das stimmte nicht. Der Boden unter den Füßen fühlte sich oft fest an, und die Luft hatte einen neutralen Geruch. Doch war es unglaublich heiß und feucht, und alles schien naß zu sein — die Blätter, Baumstämme, der Erdboden und sogar die bedrückend regungslose Luft, die unter den Bäumen gleichsam gefangen war.
    Elliot hätte sicherlich Stanleys Beschreibung aus dem vergangenen Jahrhundert zugestimmt: »Zu unseren Häupten versperrten die weit ausladenden Zweige allem Tageslicht den Zutritt… Wir zogen in schwachem Dämmerlicht dahin… ohne Unterlaß fiel mit klatschendem Geräusch Tau auf uns hernieder…
    Unsere Kleidung war damit getränkt… Aus allen Poren drang Schweiß, denn die Luft war erdrückend… Wie abweisend stellte das dunkle Unbekannte sich uns entgegen!«
    Da Elliot sich auf seine erste Begegnung mit dem äquatorialen Urwald gefreut hatte, war er überrascht, wie schnell er sich bedrückt fühlte — und wie schnell er ihn wieder verlassen wollte. Dabei waren in den tropischen Regenwäldern die meisten neuen Lebensformen entstanden, der Mensch eingeschlossen. Der Dschungel ist kein gleichförmiges Biotop. Er besteht vielmehr aus vielen unterschiedlichen Kleinstumgebungen, die wie eine Schichttorte übereinander angeordnet sind.
    Jede enthält einen bestürzenden Reichtum an tierischem und pflanzlichem Leben, aber alle Arten sind jeweils mit nur wenigen Exemplaren vertreten.
    Im tropischen Dschungel gab es viermal so viele Tierarten wie in einem vergleichbaren Wald in der gemäßigten Klimazone. Während er durch den Urwald schritt, merkte Elliot, daß er ihm wie ein riesiger, warmer, dunkler Mutterleib erschien; ein Ort, an dem unter immer gleichbleibenden Bedingungen neue Arten gediehen, bis sie in der Lage waren, dem Leben in den härteren und veränderlicheren gemäßigten Zonen zu trotzen. So war es Jahrmillionen hindurch gewesen.
    Amys Verhalten änderte sich, kaum daß sie die dunklen Tiefen ihrer eigentlichen Heimat betrat. Im nachhinein meinte Elliot, er hätte ihre Reaktion voraussehen können, wenn er alles gründlich durchdacht hätte.
    Amy blieb nicht mehr bei der Gruppe.
    Sie machte kleine Ausflüge abseits vom Pfad, hockte sich gelegentlich hin und aß zarte Triebe und Gräser. Sie ließ sich durch nichts zur Eile antreiben und nahm Elliots Aufforderungen, bei den anderen zu bleiben, nicht zur Kenntnis. Sie aß gemütlich, wobei auf ihrem Gesicht ein Ausdruck des Wohlbehagens lag. An Stellen, an denen einzelne

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