Constantine
Wenn Dave mitbekam, dass hier jemand runterging, würde er stinksauer werden, denn als Divemaster musste er jeden Tauchgang genehmigen.
»Mach einfach, so schnell du kannst.« Sie übergab ihm den Schlauch.
Im nächsten Moment war er im schwarzen Wasser verschwunden, und im schwachen Mondlicht war weder von ihm noch von dem leuchtend gelben Atemschlauch etwas zu sehen.
Lizzie blickte auf ihre Uhr.
Als fünf Minuten verstrichen waren, blickte sie über die Schulter prüfend auf den Kompressor, der leise summte. Der Schlauch lag regungslos in ihrer Hand. Eine Minute noch, und ein Mensch mit extrem wenig Körperfett würde im fünfzehn Grad kalten Wasser echte Probleme bekommen.
Nach sechseinhalb Minuten legte sie den Schlauch ab und ging zum Kompressor, um nachzusehen, ob alles noch korrekt funktionierte. Der Keilriemen lief. Das Überdruckventil war geöffnet, so wie es sein sollte. Die Pressluft wurde in der Reserveflasche runtergekühlt. Die …
»Um Gottes willen.« Sie fasste an die Stelle, wo die Luftansaugrohre sein sollten, doch da war nichts. Er atmete Kohlenmonoxid.
Ohne noch eine Sekunde länger nachzudenken, schaltete Lizzie den Motor aus. Es blieb keine Zeit, um die Ausrüstung anzulegen oder das System auseinanderzunehmen und neu zu starten. Keine Zeit, um den Neoprenanzug anzustreifen. Sie nahm die Taschenlampe, die am nächstgelegenen Spind hing, schwang sich über die Reling, ließ sich auf die Plattform hinuntergleiten und sprang mit einem tiefen Atemzug ins Wasser.
Das Zepter. Er durfte das verdammte goldene Zepter nicht loslassen. Doch seitdem er es in der Hand hatte, war er irgendwie desorientiert. Es war schwer, sogar im Wasser. Die Taschenlampe entglitt ihm, doch es war ihm egal, denn es gab nur noch eine Richtung, nämlich nach oben. Und zwar sofort.
Er strampelte mit den Füßen. Er atmete. Er drehte sich. Aber stieg er wirklich nach oben?
Ein stechender Schmerz durchbohrte seinen Kopf, während zugleich sein Herz anfing zu rasen.
Irgendwo in seinem Hirn wusste er genau, was los war. Doch er konnte das Zepter nicht loslassen. Sie wäre stinksauer auf ihn, schrecklich enttäuscht und würde sofort selbst danach tauchen.
Lizzie. Er zwinkerte und sah ihr Gesicht vor sich.
Lizzie …
Sie war wirklich da. Ohne Maske, ohne Anzug, den Mund zugepresst, die Wangen prall aufgeblasen. Mit einer Bewegung, die ihm gleichermaßen plötzlich und langsam erschien, drehte sie seinen Atemregler zu.
Was sollte das?
Sie zerrte an ihm, strampelte mit den Beinen, trat ihn. Zog ihn mit sich. Verbissen hielt er das Zepter fest. Er durfte es unmöglich loslassen. Doch er konnte sich auch nicht gegen sie wehren.
Sie stiegen auf. Instinktiv begann er, Wasser zu treten und stieß eine Luftblase aus. Sie tat das Gleiche, und ihre Augen, die im Schein ihrer Taschenlampe leuchteten, funkelten ihn an, als wollten sie sagen:
Schwimm
.
Und das tat er. Schneller und fester, bis er schließlich durch die Oberfläche brach und nach Luft schnappte.
»Con!« Ihre Stimme war nur ein raues Flüstern. Vielleicht schrie sie auch. So genau konnte er das nicht sagen.
Verdammt!
Er schüttelte den Kopf und sog seine Lungen voll mit Luft. Den goldenen Stab in der Hand blinzelte er sie an, während er wild mit den Füßen trat. Wäre es nur nicht so verdammt kalt gewesen.
»Bist du in Ordnung? Con!«
Er hielt das Zepter hoch. »Ich habe es.«
Sie nickte, während das Wasser über ihr Haar und ihr von Wut und Angst verzerrtes Gesicht rann.
»Du hast Kohlenmonoxid geatmet«, sagte sie und fing an, ihn in Richtung des Schiffes zu ziehen. »Wusstest du das?« Sie riss ihm das Mundstück aus dem Mund.
Ihm war schwindelig, doch er paddelte weiter mit den Füßen, während der erste klare Gedanke in seinem Kopf Gestalt annahm.
Kohlenmonoxid. Natürlich.
Aber wieso?
»Schwimm. Bleib bei mir«, sagte sie mit klappernden Zähnen.
Um Gottes willen, sie musste unglaublich frieren. Sie war so zierlich und dünn. Er trat heftiger, um nicht zurückzubleiben; und mit dem Sauerstoff, der ganz allmählich wieder in seine Lungen strömte, kam auch sein Wille und seine Entschlossenheit zurück. Er würde
für
sie schwimmen, nicht
mit
ihr.
Und vor allem das verdammte Zepter nicht fallen lassen.
Sie zerrte ihn in Richtung Schiff, hievte sich selbst auf die Plattform und wandte sich dann ihm zu. Er hob ihr das Zepter entgegen, doch sie warf kaum einen Blick darauf und packte stattdessen seine Arme, um wie verrückt daran zu
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