Coogans Fluch (German Edition)
noch, dass es einem Greis gelang, ihn so zu überraschen? Dann die seltsamen Worte des Alten. Was wusste der über ihn, was er nicht wusste?
Schweigend und irgendwie gleichgültig, entgegnete der Indianer Jonathans Blick. Unbewegt stand er da, nichts ging von ihm aus, weder Neugier noch Scheu, dennoch empfand Jonathan eine seltsame Aura, die im Raum vorherrschte. Allmählich entspannte sich der Jäger, kämpfte seinen aufkeimenden Zorn nieder, dennoch konnte er sich eines gewissen Misstrauens und Zweifels nicht erwehren. Dann sagte er: „Scheinbar stehe ich in deiner Schuld.“
Ein flüchtiges Funkeln blitzte in den ausdruckslosen Augen des Indianers, ansonsten schien er zu Stein erstarrt. Nichts ließ darauf schließen, dass er etwas entgegnen würde, noch, ob er Jonathans Worte überhaupt verstanden hatte.
„Hast du mich nicht gehört?“, versuchte es der Jäger erneut, starrte zwingend in die Augen des anderen. Keine Reaktion.
„Warum muss ich mich nicht beeilen?“ Jonathan fiel es schwer, seine Ungeduld zu zügeln, da erwachte der Alte endlich aus seiner Erstarrung. Trotz seines offensichtlichen Alters, bewegte er sich geschmeidig und völlig geräuschlos, als er sich gegenüber Jonathans Lager niederließ und den Jäger mit Gesten aufforderte, sich zu setzen.
„Es freut mich, dich auf den Beinen zu sehen“, sprach der Alte nach einer Weile und Jonathan fiel auf, dass nicht die kleinste Spur eines Akzentes in seinem Englisch mitschwang.
„Wo bin ich hier? Was soll das, alter Mann? Antworte!“ Ohne es zu beabsichtigen, hatte Jonathan eine drohende Haltung eingenommen.
„Wovor hast du Angst, großer Mann? Etwa vor mir?“
Der offensichtliche Spott in seiner Stimme stachelte Jonathans Wut nur weiter an. „Wo zur Hölle bin ich?“, brüllte er, sprang mit einem Satz über die Feuerstelle, packte den Alten beidhändig am Kragen seines Lederhemdes und fand sich plötzlich am Boden liegend wieder. Schmerzhaft riefen sich ihm die noch nicht verheilten Rippen in sein Gedächtnis.
„Spar dir deine Kraft, weißer Mann. Und hör auf, dich wie ein dummer Junge zu verhalten.“ Das Gesicht des Alten hatte einen völlig anderen Ausdruck angenommen. Nicht mehr spöttisch, sondern ernst und traurig war sein Blick und er schien gewachsen zu sein. Mit verschränkten Armen vor der stolz geschwellten Brust, blitzten seine unergründlichen Augen auf den Jäger herab. Selbst die tiefen Falten in seinem Gesicht schienen sich geglättet zu haben und der Greis wirkte auf Jonathan nun wie ein mächtiger Krieger in den besten Jahren. Ihn beschlich das Gefühl dieses Gesicht schon einmal gesehen zu haben.
„Deine Erinnerung wird bald zurückkehren, wenn du soweit bist. Jetzt erzähl mir deinen Traum.“
Verwirrt erhob sich Jonathan, fühlte wieder die Schwere und Kraftlosigkeit seiner Glieder, die er vor seinem Wutanfall verspürt hatte. Schnaufend stakste er zu seinem Lager, ließ sich ächzend nieder. Trotz seiner Schwäche und dem beklemmenden Gefühl einer gewissen Hilflosigkeit, sah er dem Indianer ins Gesicht: „Warum?“
Der Alte lächelte und zog aus einem Ärmel ein Kalumet hervor. Aus einer Tasche holte er einen Beutel Tabak und begann die Pfeife mit ernster, feierlicher Miene zu stopfen. Dabei widmete er die kleinen Portionen den vier Himmelsrichtungen, der Erde und dem Himmel, schließlich sagte er: „Dies ist ein Zeichen meiner Aufrichtigkeit. Wir werden diese Pfeife gemeinsam rauchen und den Mächten gedenken. Jedes unwahre Wort, das gesprochen wird, wird sich gegen den Sprecher richten. Ist dir das recht?“
Jonathan, der lange genug unter Indianern gelebt hatte, um ihre Sitten und Gebräuche zu verstehen, nickte. Er wusste um den heiligen Sinn der Pfeife. Sie stellte für die Ureinwohner in etwa das dar, was für die Christen das Kreuz bedeutete, wenn nicht sogar mehr. Der Alte entzündete das Kalumet, zog sechsmal und blies den Rauch zu Boden, in die Luft und in die vier Himmelsrichtungen, dann reichte er an Jonathan weiter. Diese Zeremonie wiederholte sich, bis die Pfeife erlosch, dann begann der Alte: „Dieser Traum ist wichtig für dich und vielleicht erkennst du, was deine Seele dir sagen will.“ Er verstummte und emotionslos hielt er seinen Blick auf Jonathan gerichtet.
In seiner Stimme hatte ein solcher Ernst mitgeschwungen und sein Blick hatte etwas derart Forderndes in sich, dass Jonathan nicht anders konnte, als seine Gedanken abzuschalten und
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