Coogans Fluch (German Edition)
Schwärze der Nacht ab. Außerhalb des Nebels hatte die Dämmerung begonnen. Ben verhielt kurz vor dem Lager und fasste Jeff am Ärmel: „Sag mal, kommt es nur mir so vor, oder lichten sich die Nebel wirklich?“
„Yeah, jetzt wo du's sagst. Ich dacht' zuerst, dass ich mich vielleicht schon so an den Nebel gewöhnt hätte. Aber du hast völlig recht, die Suppe is' dünner geworden.“
Ben grinste entschlossen: „Na dann lass uns mal die anderen wecken und den Burschen da unten kräftig einheizen.“
Jonathan öffnete die Augen, flackernder Feuerschein warf diffuse Schatten an die Wände, beißender Qualm stand im Raum. Der Jäger lag auf einem Lager aus Fellen neben dem Feuer. Ihm gegenüber saß ein alter Indianer, der mit fremden, geheimnisvollen Singsang auf eine dampfende Schale einmurmelte, die er in den Händen hielt. Dumpf erinnerte sich Jonathan an die endlose Dunkelheit, doch sonst war sein Gedächtnis nichts als ein gähnendes Loch. Wo er sich befand und was ihn hierher geführt hatte, wusste er nicht.
Jonathan versuchte sich aufzurichten. Der Indianer unterbrach seinen Singsang, kniete plötzlich neben ihm, setzte ihm die Schale an den Mund und willenlos schluckte der Jäger die bittere Flüssigkeit hinunter. Jonathans Wahrnehmung verschwamm, mit Augenliedern so schwer wie Scheunentore, plumpste er zurück auf sein Lager und versank in tiefen Schlaf.
Er durchlebte wirre Traumsequenzen und ein Bild verjagte das vorherige, dann stand er inmitten eines riesigen Gewölbes. Die Wände wurden von je vier Reihen ausgemergelter Wölfe flankiert, die ihre gelben Raubtieraugen auf ihn gerichtet hielten. Geifernde Zungen hingen aus den geöffneten Mäulern und weiße Fänge blitzten wie Reihen scharfer Bajonette. Als wären sie sein gespanntes Publikum, das jede seiner Bewegungen verfolgte. Zunächst störte er sich nicht daran, doch die bohrenden Blicke der Wölfe weckten zunehmend eine kribbelnde Unruhe in ihm und wütend starrte er zurück.
Plötzlich löste sich ein Mann aus dem Schatten und schritt ihm entgegen. Fassungslos erkannte Jonathan sich selbst in der Gestalt. Wie aus einem Maul, hoben die Wölfe zu einem markdurchdringenden Heulen an. Mit jedem Schritt, den sein Doppelgänger zurücklegte, empfand Jonathan eine wachsende Bedrohung und unwillkürlich ballte er die Fäuste. Sein Ebenbild hatte ihn fast erreicht, breitete die Arme wie zu einer Umarmung aus. Jonathan hatte nun endgültig genug. Mit einem Schrei schmetterte seine Faust dem anderen mitten ins Gesicht.
Schmerzen explodierten vor seinen Augen, als wenn sein Fausthieb ihn selbst getroffen hätte, und bahnten sich wie zuckende Blitze einen Weg zu seinem Herzen. Entgeistert starrte Jonathan auf das Gesicht seines Ebenbildes, wo seine Faust ihren Abdruck hinterlassen und Mund und Nase grotesk nach innen gedrückt hatte, als der deformierte Schädel zu zerfließen schien. Plötzlich blickte er in das traurige Gesicht Miriams, Tränen liefen über ihre Wangen. Als Nächstes erfüllte gemeines Gelächter den Raum und er sah sich dem Narbigen gegenüber. Boshaft glitzerten die eisigen Augen in seiner Fratze.
„Nein!“, brüllte er und wachte schweißgebadet auf. Mit pochendem Herzen blickte sich Jonathan im Schimmer der glimmenden Feuerstelle um. Dunkel erinnerte er sich an den bitteren Trank und den alten Indianer. Jetzt war er allein und er fragte sich, wie er hierher gekommen war.
Mühsam ordnete Jonathan seine Gedanken, füllte das schwarze Loch in seinem Gedächtnis auf. Irgendetwas war mit einem Wolf gewesen und – jetzt erinnerte er sich – Miriam war ihm erschienen. Doch sosehr sich der Jäger bemühte, die Bilder in seinem Kopf blieben verzerrt, verwirrten ihn und wütend schlug er mit der Faust auf den Boden.
Erst als er sich aufrichtete, bemerkte er das stützende Korsett, das die gebrochenen Rippen fixierte. Plötzlich erinnerte er sich an seinen Sturz und an die Höhlen, doch blieb der Rest hinter einem Schleier verborgen.
Jonathan erhob sich, wollte sehen, was sich hinter der verhängten Öffnung verbarg, dabei merkte er, wie schwach er war. Als hätte er wochenlang nichts gegessen. Hinter der Tierhaut erstreckte sich ein im Dunkeln liegender, schmaler Gang. Kein Geräusch war zu hören und nachdem er einige Zeit in die Stille gelauscht hatte, wandte er sich um und setzte sich auf sein Lager. Irgendwann würde sich sein geheimnisvoller Retter schon wieder sehen lassen.
„Alles
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