Coogans Fluch (German Edition)
schließlich fortfahren: „Fast ein Jahr lang gab es keinen Zeugen. Dieser verdammte Hurenbock hatte bei jedem Überfall alle ermordet. Kutscher, Begleiter, Passagiere, sogar die Pferde. Nur einmal haben er und seine Leute schlampig gearbeitet. Es gab einen Überlebenden, jedenfalls lebte der arme Mensch lange genug, bis er eine Beschreibung der Täter gegeben hatte. Seitdem wissen wir, wie der Anführer aussieht und dass mindestens acht Gesetzlose mit ihm reiten.“ Fragend blickte er nun in die Augen Jonathans.
Bedächtig tippte Jonathan mit dem Zeigefinger auf den Steckbrief und mit grollender Stimme sagte er: „Dieser Hurenbock, wie Sie ihn nennen, ist verdammt viel wert. Wann kann ich mit meiner Arbeit beginnen?“ Grimmig biss er die Kiefer aufeinander, seine Augen hatten sich zu blitzenden Schlitzen verengt und wie er so auf den Angestellten starrte, wirkte er auf den kein bisschen wie ein sechzehnjähriger Farmersohn.
Der Angestellte zuckte mit den Schultern. „Sofort. Kommen Sie, ich werde Sie bekannt machen. Die Wachmannschaft für den morgigen Geldtransport ist mit Ihnen vollzählig. Bis dieser Kerl geschnappt ist, zahlen wir den dreifachen Monatslohn und eine Prämie von fünftausend Dollar für dessen Kopf. Sind Sie einverstanden, Mister McLeary?“
Jonathan nickte, dann folgte er dem Mann und schon am nächsten Morgen nahm er neben dem Kutscher, mit einer Winchester und zwei Revolvern bewaffnet, Platz. Zehn berittene, waffenstarrende Männer flankierten die Kutsche. Viele Kollegen, zum großen Teil Freunde dieser raubeinigen und wettergegerbter Burschen, hatte die Bande des Narbigen inzwischen auf dem Gewissen. Der Wunsch nach Vergeltung haftete den Gesichtern der Begleiter deutlich an, doch übertraf Jonathans Rachedurst den ihren bei weitem. Er würde dem Narbigen geradewegs in die Hölle folgen, um den mit seinen eigenen Händen zu töten.
Schon damals umgab Jonathan die Aura unbeugsamer Kraft und Härte und trotz seiner Jugend hatten ihn die hartgesottenen älteren Männer schnell in ihre Reihen aufgenommen. Jonathan versuchte sich an die Namen und Gesichter zu erinnern, doch außer Hank, den bärbeißigen Boss des Begleitschutzes, hatte er sie vergessen. Sie waren ihm unwichtig gewesen, so wie alles andere. Nur seine Rache und die Stimme Miriams, die bedeuteten ihm etwas.
Dieser erste Geldtransport, den Jonathan begleitete, blieb unbehelligt und erst nachdem er drei Wochen seinen Dienst auf dem Kutschbock getan hatte, schien die Gelegenheit, seine Rache zu erfüllen, gekommen.
Die Stelle des Hinterhalts war nahezu perfekt gewählt. Keine enge Schlucht oder unwegsames Gelände, wo jeder einen Überfall vermutete, sondern im offenen, flachen Teil der Strecke. In diesem weithin überschaubaren Abschnitt der Route begannen die Sinne der Wachmannschaft nachzulassen, die Hitze tat ein Übriges und jeder schien in seinem Sattel vor sich hinzudösen. Ausgenommen der Kutscher, der mit dem Lenken des Gespanns genügend beschäftigt war, und Jonathan, der dem Erscheinen des Narbigen geradezu entgegenfieberte.
Keinen Augenblick ließ seine Konzentration nach, keine Bodenwelle entging ihm, kein Strauch oder sonstige Möglichkeit sich in den Hinterhalt zu legen, entrann seiner Aufmerksamkeit.
Plötzlich, in einiger Entfernung schlängelte sich ein baumgesäumter Creek durchs flache Land und vereinzelte Gruppen von Sträuchern standen bis nahe an die Straße, blitzte etwas Metallenes bei einem der Büsche auf. Ohne Zögern, jagte Jonathan einen Schuss nach dem anderen aus seiner Winchester in das Gesträuch. Schon als Knabe war er ein ausgezeichneter Schütze gewesen, doch auf dem schaukelnden, auf und nieder springenden Kutschbock war auch für einen Meisterschützen ein sicherer Schuss beinahe unmöglich. Dennoch traf ausgerechnet seine zweite Kugel einen Mann, der mit einem Gewehr im Anschlag aus dem Busch hervorstolperte und dann kopfüber stürzte. Zeitgleich pfiffen von beiden Seiten der Straße Kugeln über Jonathan und den Kutscher hinweg, drei Männer ihres Begleitschutzes stieß es regelrecht aus den Sätteln. Die anderen duckten sich tief über die Hälse ihrer Pferde und schossen wahllos ein paar Kugeln in die Landschaft, während sie darum kämpften, ihrer scheuenden Pferde Herr zu werden.
Jonathan beachtete sie nicht, nicht das Schreien des Kutschers neben ihm, die oftmals haarscharf vorbeijaulenden oder neben ihm ins Holz der Kutsche klatschenden Kugeln, noch das
Weitere Kostenlose Bücher