Coogans Fluch (German Edition)
weiß nur, dass du der einzige bist, der diesem Bann gewachsen ist.“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich weiß es. Eure Schicksale sind unlösbar miteinander verwoben. Er ist durch dich zu dem geworden, der er jetzt ist, genauso wie du durch ihn der geworden bist, der vor mir steht. Ohne den Narbigen wäre dein Leben anders verlaufen, ob besser oder schlechter, wissen nur die Mächte und das ist ihnen auch egal.“
„Dieser Bastard hat meine Familie getötet. Alles wäre besser gewesen.“
„Vielleicht verstehst du niemals, weißer Jäger. Doch beschwöre ich dich, deine Rache zu vergessen, wenn du dem Narbigen gegenübertrittst. Dann erst wirst du die Aufgabe der Mächte annehmen können.“
„Ich werde dran denken, doch jetzt zeige mir ... Verdammt!“, jäh verstummte Jonathan. Der Alte war verschwunden. Verlor er vielleicht doch den Verstand und bildete sich das alles nur ein? Er schloss die Augen. Hatte ihn nicht über zwei Jahrzehnte hinweg, der Geist seiner Schwester begleitet? Und hatte er nicht lange genug bei den Chipewyan verweilt und dort miterlebt, zu welchen sonderbaren Dingen ihre Schamanen fähig waren. Dinge, die in der Welt der Weißen als Hirngespinste und Märchen abgetan wurden.
Er lehnte sich zurück, versuchte sich die Worte Miriams ins Gedächtnis zu rufen. Hatte der Alte nicht eben von einer Aufgabe gesprochen, die er annehmen sollte? So ähnliche Worte hatte Miriam gesagt. Jonathan dachte zurück an die Zeit, als er von Georgia aufgebrochen war und an das, was er zu jener Zeit empfunden hatte. Dunkel war seine Seele damals gewesen und tot sein Herz. Er hatte nur Platz für Schmerz und Rache in seinem Innern gehabt – nichts als den Wunsch zu töten, zu vernichten oder selbst getötet zu werden. Sicher, er hatte niemals ohne Grund zur Waffe gegriffen oder seine mächtigen Fäuste wirbeln lassen, doch jetzt wurde ihm klar, wie sehr er diesen Rausch der Gewalt genossen hatte. War dies der Bann des Narbigen, von dem der Alte geredet hatte? Hatten ihn nicht in jenen Jahren immer wieder Augenblicke überfallen, in denen auch er sein Dunkelstes nach außen gekehrt hatte? Augenblicke, in denen er aufgehört hatte als Mensch zu existieren?
Er musste sich eingestehen, dass es sich so verhielt. Keine Gelegenheit hatte er ausgelassen, die sich ihm geboten hatte, zu zerstören und zu töten und nur Miriam hatte er es zu verdanken, dass er nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten und irgendwo am Galgen geendet war.
Nein, ebenso dem Narbigen, fuhr es Jonathan durch den Kopf. Als wenn ihm jemand von außen diesen Gedanken zugeworfen hätte. Der Narbige war sein Ziel gewesen, der Feind, den er töten wollte und dessen Weg aus Rauben, Schänden und Morden bestanden hatte. Indem er diesen Mann verfolgte, hatte er sich auf die andere Seite gestellt.
Es war nicht schwer gewesen, die Spur des Narbigen zu finden und ihr zu folgen. Wo immer er seinen Fuß hingesetzt hatte, hinterließ er Blut und Leid. Diese Spur führte Jonathan zunächst westwärts nach Alabama. Bei Mobile verlor sie sich für einige Wochen in der Wildnis, bis Jonathan New Orleans erreichte.
Zu dieser Zeit schienen dem Narbigen die Postkutschen und Geldtransporte von Well’s Fargo & Co. eine leichte und lohnende Beute zu sein und aus jenen Tagen stammte auch der Steckbrief, den Jonathan noch heute mit sich führte.
Als er den Steckbrief das erste Mal gesehen hatte, war sein nächster Weg der zu einem Office von Well’s Fargo & Co gewesen. Dank seiner Kraft und Größe erhielt er, trotz seiner Jugend, den Job eines Postkutschenbegleiters ohne große Umschweife. Doch warnte ihn der Direktor des Offices: „Junger Mann, Sie wissen, warum wir im Moment so viele Männer für den Begleitschutz unserer Kutschen einstellen?“
„Wegen dem hier“, antwortete Jonathan kurz angebunden und breitete den Steckbrief, den er eingesteckt hatte, vorm Direktor auf dem Schreibtisch aus.
„Allerdings und ich will offen zu Ihnen sein. Wir wissen nicht, woher der Kerl kommt oder auf welchen Namen er hört und niemals zuvor hat es in dieser Gegend einen blutrünstigeren Outlaw gegeben. Dass wir wissen, wie er aussieht, verdanken wir nur einem glücklichen Umstand.“ Die letzten Worte hatte er immer leiser gesprochen und nun hielt er inne, als wenn er befürchtete, dass Jonathan nichts mehr von dem Job wissen wollte, wenn er weiter erzählte. Doch der eindringliche Blick des jungen McLeary, ließ ihn
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