Cool Hunter
professionell eingerichtet war. Von einem Deckengestell hingen Edelstahltöpfe und Pfannen, die leise in der Brise eines Abluftventilators schepperten, der schwer arbeitete, um den Gestank der Säure nach draußen zu pusten. Ein frisch gekauftes Nicht-Hunter-Partyoutfit hing zwischen den Töpfen, fein säuberlich in Plastikfolie verpackt,
um sicherzustellen, dass mir die nächste Kreditkartenabrechnung nicht das Genick brach.
Jen wohnte hier mit ihrer älteren Schwester zusammen, die an ihrem Durchbruch als Patissière arbeitete. Auf vielen der geschwärzten Bleche ließen sich die Abdrücke von Keksen und Löffelbiskuits erahnen, und es gab eine ganze Batterie Siebe, mit denen Mehl in unsichtbaren Staub verwandelt werden konnte.
Die Küche war im Retrostyle eingerichtet oder vielleicht auch einfach nur alt. Der Stuhl, auf dem ich mich stumm leidend krümmte, war aus Chrom und Vinyl und passte zu der grün-gold gesprenkelten Resopalplatte des Küchentischs. Der Kühlschrank mit dem gigantischen Edelstahlgriff stammte original aus den Sechzigern.
Während die Säure allmählich meine Kopfhaut zersetzte, suchte ich verzweifelt nach Ablenkung.
»Wohnt deine Schwester schon lange hier?«
»Das war die erste Wohnung meiner Eltern. Wir haben hier alle zusammen gewohnt, bis ich zwölf war, aber sie haben sie auch nach dem Katastrophentag behalten.«
»Dem Katastrophentag?«
»Dem Tag, an dem wir nach New Jersey gezogen sind.«
Als ich versuchte, mir vorzustellen, wie eine ganze Familie hier Platz finden sollte, begann meine Kopfhaut klaustrophobisch zu prickeln. Abgesehen von der Küche gab es nur noch zwei winzige Räume mit Fenstern, die auf einen schmalen Lichtschacht hinausgingen. Das war die ganze Wohnung.
»Zu viert in dieser Wohnung? Deine Eltern haben sich bestimmt gefreut, als sie nach New Jersey gezogen sind.«
Jen machte ein Kotzgeräusch. »Klar. Meine Eltern schon.
Aber ich nicht. Für die Leute in Jersey war ich mit meinen lila gefärbten Kiddie-Punk-Strähnen und den selbst genähten Klamotten der volle Freak.«
Ich dachte über meinen eigenen großen Umzug nach. »Na ja, wenigstens hast du nicht so weit weggewohnt, dass du deine alten Freunde nicht mehr besuchen konntest.«
Sie seufzte. »Ich hätte genauso gut am anderen Ende der Welt wohnen können. Als ich vierzehn war, hatte ich in Manhattan keinen einzigen Freund mehr. Die haben mich alle fallen lassen, als hätte ich mich durch den Umzug automatisch in eine Jerseytusse verwandelt oder so.«
»Autsch.«
Beim Reinkommen hatte ich einen kurzen Blick in Jens Zimmer geworfen. Typisch Innovatorin: Möbel vom Sperrmüll, ein Regal voller Notizbücher, ein Dutzend halb fertige Kunstprojekte aus Papier und Stoff, eine Wand, die mit aus Zeitschriften ausgeschnittenen Bildern zugepflastert war, eine, die sie mit einer Collage aus auf der Straße gefundenen Fotos tapeziert hatte, und eine, an der sie eine Pinnwand aufgehängt hatte, die wie ein Basketball-Spielfeld bemalt war und auf der Magneten mit Fotos von Spielern und Spielerinnen klebten. In der Höhle unter dem Hochbett stand ein kleiner Schreibtisch, auf dem ein aufgeklappter Laptop in drahtloser Verbindung mit einem an der Wand befestigten WLAN-Router flimmerte. Das Chaos eines coolen Mädchen, das verzweifelt darum bemüht ist, verlorene Jahre wettzumachen.
»Wann bist du wieder hergezogen?«
»Letztes Jahr. Sobald sie es mir erlaubt haben. Aber es ist sauschwer, sich seine Coolness zurückzuholen, wenn man sie mal verloren hat. Das ist ungefähr so, als würde man sich
extrem wohl mit sich selbst fühlen und zu irgendeinem perfekten Soundtrack im Kopf die Straße entlangschlendern und dann über ein Schlagloch stolpern, kennst du das? Im einen Moment ist man total cool und im nächsten … starren dich alle an und du bist plötzlich wieder in Jersey.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut es weh?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Vielleicht weil du so mit den Zähnen mahlst?«
»Wann hört es auf?«
Sie wog zwei unsichtbare Objekte in den Händen. »Kommt drauf an. Wir können es jederzeit rauswaschen. Aber jede Sekunde Schmerz wird dich blonder und weniger nach Hunter aussehen lassen, wenn du heute Abend den fiesen Typen gegenübertrittst. «
»Also tut es entweder jetzt mehr weh oder später.«
»So ungefähr.« Sie zog an dem riesigen Griff an der Kühlschranktür und holte einen Karton Milch heraus. Dann nahm sie eine Rührschüssel vom Metallregal und goss etwas von der Milch
Weitere Kostenlose Bücher