Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
wurde vom geheimnisvollen Anti-Klienten verfolgt, der möglicherweise schon meine Adresse herausbekommen hatte. Drittens: Ich hatte eine neue Haarfarbe. Jede spiegelnde Oberfläche, an der ich auf dem Weg von Jen nach Hause vorbeigekommen war, hatte mich kurz zusammenzucken lassen. Der wasserstoffblonde Fremde, der mir entgegengeblickt hatte, schien genauso perplex über die ganze Situation wie ich.
    »Hallo?«, rief ich.
    Und viertens waren da natürlich meine Eltern, die ausflippen würden, wenn sie sahen, dass meine Haare kurz geschnitten und blond gefärbt waren. Nicht, dass sie etwas dagegen haben würden, vielleicht gefiel es ihnen sogar, aber sie würden viele Fragen stellen. Und wenn sie herausfanden, dass Jen – über die sie bestimmt schon verschwörerisch als meine neue Freundin tuschelten – das getan hatte …

    Mir schauderte.
    »Hallo?«
    Keine Antwort. Keine Geräusche außer den Sirenen der unten auf der Straße vorbeifahrenden Kranken- und Streifenwagen, dem durch die Rohre rauschenden Wasser und dem leisen Summen der Klimaanlage unserer Nachbarn. Ich zog die Tür hinter mir zu und entschied, dass mir fürs Erste wahrscheinlich keine Gefahr drohte. Das Apartmenthaus, in dem wir wohnen, ist über hundert Jahre alt. Da es aus dickem Sandstein gebaut ist, bleibt es sogar im Sommer kühl und man fühlt sich zu jeder Tages- und Nachtzeit vollkommen sicher.
    Abgesehen davon spielen Splatterfilme aus gutem Grund immer in Kleinstädten oder irgendwo auf dem Land und nicht in New York City. Die Wohnungen hier haben massive metallverkleidete Türen, Sicherheitsschlösser und Gitter vor den Fenstern. Man sieht sofort, wenn jemand eingebrochen ist. Nicht nötig, unter dem Bett nachzuschauen.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. In zwei Stunden musste ich auf der Party sein. Jen würde früher und getrennt von mir hingehen, um unsere Anonymität zu wahren. Sie hatte mir nicht einmal gesagt, wie ihre Tarnung aussehen würde. Ich hatte den Verdacht, dass sie es selbst noch nicht wusste.
    Nachdem ich den Anzug in mein Zimmer gehängt hatte, ging ich ins Bad, wo ich mich ausgiebig im Spiegel betrachtete und erstaunt feststellte, dass der wasserstoffblonde Fremde jede meiner Bewegungen nachahmte.
    Ich habe bereits erwähnt, dass die meisten Innovatoren sich die Haare selbst schneiden. Das bedeutet natürlich nicht automatisch, dass sie auch jemand anderem die Haare schneiden können, aber Jen hatte gute Arbeit geleistet und meinem von
der Säure nahezu weiß gebleichten Schopf einen strengen Kurzhaarschnitt verpasst. Die nach wie vor dunklen Augenbrauen standen in starkem Kontrast zu meiner hellen Haut und unterstrichen damit jede Regung meines Gesichts. Ich sah ein bisschen aus wie ein Gangster aus einem französischen Krimi aus den Neunzigern, aber definitiv wie ein selbstbewusster Gangster. Vielleicht hatte Jen recht und ich hatte mich tatsächlich die ganze Zeit über hinter meinen langen Zotteln versteckt.
    Merkwürdig, dass ich jetzt, wo man zum ersten Mal mein ganzes Gesicht sah, maskiert war. Es war ein seltsam surreales Gefühl, diesen wasserstoffblonden Fremden im Spiegel zu sehen. Wenn ich mich selbst schon nicht wiedererkannte, wie sollte mich dann jemand anderes erkennen?
    Eine Dusche später zog ich mich an.
    Um den Smoking zurückgeben zu können und meine zweitausend Dollar auch wirklich wiederzubekommen, beschloss ich, die Preisschildchen dranzulassen. Diese Entscheidung sollte sich später noch als schmerzhafter Fehler erweisen, aber anfangs spürte ich sie überhaupt nicht. Alles passte wie angegossen und saß so perfekt, wie man es von einem gut geschnittenen, hochpreisigen Anzug erwarten durfte. Die schwarze Hose hatte eine klassische Bügelfalte, die Manschetten des strahlend weißen Smokinghemds wurden von Manschettenknöpfen aus Onyx gehalten, mit Argyle-Karo gemusterte Hosenträger strafften meine Schultern. Jedes Teil fühlte sich an wie eine zweite Haut, verwandelte mich noch ein Stückchen mehr in den Nicht-Hunter und verstärkte nicht nur meine Zuversicht, dass ich heute Abend nicht wiederzuerkennen sein würde, sondern auch das großartige Gefühl, dass ich verdammt gut aussah.

    Ein Gefühl, das anhielt, bis ich zu der Fliege griff, die sofort dafür sorgte, dass mein Selbstbewusstsein zu Staub zerbröselte, denn natürlich hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie man so ein Ding band.
    Das an den Enden wie stilisierte Fischschwanzflossen aussehende Band aus schwarz glänzendem Stoff

Weitere Kostenlose Bücher