Cool Hunter
dein Gesicht hinter diesen Zotteln versteckst. «
Sie streckte die Hand aus und wischte einen Lavastrom von meiner Stirn, der mir sonst mein linkes Auge weggeätzt hätte. »Aber jetzt weiß ich, warum. Als du aus Minnesota hergezogen bist, hast du auf einen Schlag dein ganzes Selbstvertrauen verloren. Du musstest dein Gesicht verstecken. Und einen Teil von dir versteckst du immer noch.«
Ich räusperte mich. »Du findest, dass meine langen Haare von einem Mangel an Selbstvertrauen zeugen?«
»Na ja, ich könnte mir vorstellen, dass du immer noch Angst hast, eines Tages plötzlich wieder uncool zu sein.«
Ich spürte, wie ich rot wurde. Plötzlich empfand ich die Küche als extrem heiß, extrem klein und extrem eng. Ich wusste nicht, ob ich genervt war oder verlegen oder ob es an der Säure auf meinem Kopf lag. Ich wollte mir die Kopfhaut wegreißen, den riesigen Mückenstich aufkratzen, aus dem mein Gehirn zu bestehen schien. Das Wasserstoffperoxyd sickerte eindeutig durch meine Poren.
Jen lächelte und beugte sich so weit vor, dass ihr Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt war. Sie spitzte die Lippen, und einen irren Moment lang dachte ich, sie würde mich küssen, und meine Wut löste sich in Überraschung auf.
Stattdessen blies sie mich nur ganz sanft an, eine zarte Brise, die mein Gesicht kühlte und mich am ganzen Körper erschauern ließ.
»Keine Sorge«, sagte sie. »Ich kümmere mich darum. Deinen Haaren hat bald das letzte Stündlein geschlagen.«
Weil ich diese Nähe nicht aushielt, lachte ich und drehte mich weg.
Sie wartete, bis ich sie wieder ansah. »Ich weiß, wie es sich anfühlt, Hunter. Ich hab meine Coolness auch schon verloren. «
»Aber nicht wirklich. Die waren bloß zu beschränkt, um zu begreifen, wie cool du warst.«
»Doch. Ich hab alles versucht, aber ich konnte ihren Code einfach nicht knacken. Die Mädchen aus meiner alten Klasse halten mich wahrscheinlich immer noch für eine Spinnerin, die Gedichte schreibt.«
»Puh! Böse Altlasten.« Ich versuchte zu lächeln. Aber ich
hatte die Erinnerung an mein erstes Jahr in New York selbst noch nicht verarbeitet. Sie war immer da, lag mir wie ein kalter, schwerer Klumpen im Magen. Ich spürte jetzt noch, wie der Klumpen mit jedem Schritt, den ich mich morgens der Schule genähert hatte, immer schwerer geworden war. Und die Erinnerung daran, wie entsetzlich allein ich mich gefühlt hatte, ließ ihn sofort wieder anschwellen.
Ich holte tief Luft und zwang mich, wieder in die Gegenwart zurückzukehren, in der ich cool war. Okay, von brennender Säure zerfressen, von gnadenlosen Schurken gehetzt und meines Handys beraubt, aber nichtsdestoweniger cool … oder?
»Und dabei hab ich immer gedacht, um den Kopf gewickelte Alufolie könnte verhindern, dass einem andere Leute in den Kopf schauen und die Gedanken lesen«, sagte ich.
Jen grinste, wurde aber sofort wieder ernst. »Das hat nichts mit Gedankenlesen zu tun. Es ist dasselbe, von dem du gerade gesprochen hast. Es geht um Codes. Ich lese nur andere als du.«
»Du meinst, du nutzt deine Superkräfte für die gute Seite der Macht?«
»Statt für einen gigantischen Global Player, der Turnschuhe für die Massen herstellt? Kann sein.« Jen stand auf, tauchte einen Waschlappen in die Schüssel mit der Milch, hielt ihn mir triefend vor die geweiteten Augen und trat dann hinter mich. »Dann pass mal auf, was ich mit meinen Superkräften noch so alles kann.«
Ich spürte, wie sie die Alufolie wegnahm und mir etwas Kühles und angenehm Schweres auf den Kopf legte, das die Säure in etwas Wohltuendes verwandelte und meiner Qual endlich ein Ende setzte.
»Ahhh … «, stöhnte ich.
Immer noch flossen dünne Säurerinnsale meinen Hals hinunter, die ebenso brannten wie die Flammen des Unmuts darüber, dass sie in mir gelesen hatte wie in einem Buch. Ich fühle mich nämlich wesentlich wohler, solange ich derjenige bin, der die Codes entschlüsselt. Niemanden sieht sich gern alte Fotos von sich selbst an.
Aber als ich in den Spiegel schaute, gefiel mir, was ich sah.
Ohne Schweiß kein Preis.
Kapitel
VIERZEHN
Ich war nervös, als ich nach Hause kam und die Tür auf schloss.
Warum? Nun, aus diversen Gründen. Erstens: An den Kleiderbügeln, die ich in der Hand hielt, hingen Klamotten im Wert von zweitausend Dollar – eine falsche Bewegung und ich würde mir die Warenrückgabe gegen Erstattung des vollen Kaufpreises in die frisch gebleichten Haare schmieren können. Zweitens: Ich
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