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Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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    »Verstehe. Wir haben eine ganze Reihe von Büchern über Stil und Etikette hier. Da steht so etwas normalerweise drin.«
    »Um ehrlich zu sein, habe ich keine Zeit, mir ein Buch auszuleihen. Ich müsste es jetzt sofort wissen.« Ich warf einen Blick auf die Uhr in der Küche. »Ich muss in sechsundzwanzig Minuten los.«
    »Äh, einen Moment bitte.«
    Während die Bibliothekarin loszog, um die »Neckclothitania« oder – wie ich hoffte – eine Ausgabe von »Fliegenbinden für Dummies« zu holen, ging ich schon mal ins Badezimmer und stellte mich vor dem Spiegel in Positur.
    Ich klemmte das Telefon zwischen Kinn und Schulter und wappnete mich innerlich für den bevorstehenden Kampf.
    Mein Tipp: Versucht bloß nicht, das Folgende zu Hause nachzumachen.
    »Okay, Sir. Post oder Vanderbilt?«
    »Entschuldigung?«
    »Was ist Ihnen lieber – Emily Posts Buch über Stil und Etikette oder das von Amy Vanderbilt?«
    »Dann nehme ich das von Emily Post.«
    »Gut. Im Grunde genommen ist es dasselbe, als würden Sie ihren Schuh binden.«
    »Aber um den Hals.«
    »Genau. Legen Sie sich die Fliege als Erstes so um den Hals, dass beide Enden locker herabhängen, das eine Ende sollte dabei ein paar Zentimeter länger sein als das andere. Ich werde es das ›lange Ende‹ nennen.«
    »Okay.«

    Bis dahin kam ich gut klar.
    »Kreuzen Sie jetzt das lange Ende über das kurze und führen Sie es dahinter, ziehen Sie den Knoten dann so fest, dass er locker um Ihren Hals liegt. Es ist einfacher, wenn Sie sich vorstellen, Sie würden einen Schuh binden.«
    »Äh …« Die geniale Komplexität von Jens Schnürsenkeln tauchte vor meinem inneren Auge auf. Ich verdrängte jeden Gedanken an Schuhe aus meinem Kopf. »Okay. Hab ich.«
    »Falten Sie das längere Ende nach oben links. Achten Sie dabei darauf, dass das nicht gefaltete Ende vorne über dem Knoten hängt. So weit alles klar?«
    »Ähem, ja.«
    »Jetzt ziehen Sie die Schleifenenden nach vorn und drücken sie vorsichtig zusammen. Formen Sie hinten eine Öffnung und drehen Sie sie nach rechts, sodass die Öffnung nach vorne zeigt. Konnten Sie mir folgen?«
    »Nnn… ja.«
    »Mit dem linken Daumen beziehungsweise Zeigefinger drücken Sie den mittleren Teil des losen Endes von links nach rechts durch die Schlaufe, dabei müssen Sie darauf achten, dass das andere Ende nicht wieder herausrutscht. Halten Sie die Rückschleife mit der rechten Hand fest.«
    »…?«
    »Haben Sie den mittleren Teil durch die Schlaufe gezogen?«, hakte sie nach.
    »Sekunde, wie viele Schlaufen müsste ich jetzt haben?«
    Sie schwieg einen Moment, in dem sie wahrscheinlich die Schlaufen zählte. »Zwei, plus die, die um Ihren Hals liegt. Jetzt können Sie den Knoten enger machen, um der Schleife Halt zu geben, indem Sie an beiden Enden ziehen.«

    »Ich glaube, ich …«
    »Emily Post schreibt, dass eine selbst gebundene Fliege der persönlichen Individualität Ausdruck verleiht und daher keinesfalls zu perfekt gebunden sein sollte.«
    »Oh. Ich wünschte, Sie hätten mir das vorher gesagt. Es könnte sein, dass wir noch mal ganz von vorne anfangen müssen. «
    »Nun, vielleicht ist es auch nicht so schlimm, wenn sie perfekt aussieht.«
    »Ja, aber nicht diese Art von perfekt, glauben Sie mir.«
    »Also gut.« Papier raschelte. »Legen Sie sich die Fliege als Erstes so um den Hals, dass beide Enden locker herabhängen, das eine Ende sollte dabei länger sein als das andere. Ich werde es das ›lange Ende‹ nennen …«
    Und dann folgten die siebzehn anstrengendsten Minuten meines Lebens, die ich von nun an nur noch die »Fliegenhölle« nennen werde. Trotzdem war das Ding irgendwann gebunden – allerdings, wie ich vermute, weniger aufgrund meiner Anstrengungen als aus eigenem Willen – und wies darüber hinaus einen Grad an Unperfektion auf, der ganz dezent meine Individualität unterstrich.
     
    Im Grunde war ich fertig und hätte gehen können, aber plötzlich wurde mir in meinem Post-Fliegebinde-Erschöpfungszustand klar, dass ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Ob der Anti-Klient meine Verkleidung heute Abend durchschauen und mich verschleppen würde oder nicht – mit einem derart niedrigen Blutzuckerspiegel würde ich nicht weit kommen.
    Als ich in die Küche ging und gerade den Kühlschrank öffnen
wollte, erstarrte meine Hand mitten in der Bewegung. Auf dem Kühlschrank stand der Anrufbeantworter meiner Eltern und blinkte rot. Ich verfluchte mich dafür, nicht früher auf die Idee

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