Cool Hunter
Launchpartys, cooles Design, die neuesten Magazine und Corporate Branding.«
»Stimmt, was das angeht, ist er absolut fit.«
»Und nach wem klingt das für dich?«
Ich saß einen Moment lang grübelnd da, zwang mein Gehirn, trotz Erschöpfung und Paka-Paka-Kopfschmerz seine Arbeit aufzunehmen, und versuchte, die Puzzleteile zusammenzufügen. Modernste Technologien, die allercoolsten Schuhe, die besten Party-Goody-Bags, geheime Methoden zur Bewusstseinsveränderung aus der japanischen Popkultur …
Und plötzlich wusste ich es. Es traf mich nicht wie das Flackern
der primärfarbenen Stroboskopeffekte, sondern wie ein guter alter Hunter’scher Gedankenblitz.
»Das klingt nach jemandem von uns.«
»Kluger Hunter. Die wissen über genau die gleichen Dinge Bescheid wie du und deine coolen Kollegen, nur dass sie dieses Wissen für eine Art Guerilla-Marketingkrieg benutzen.«
»Du meinst …«
»Genau. Irgendwo in dieser Stadt läuft ein Cool Hunter Amok.« Sie nahm meine Hand. »Und es ist an uns, ihn aufzuhalten und die Welt vor dem Untergang zu retten.«
»Was?«
»Sorry, den Spruch musste ich jetzt einfach bringen.« Sie grinste.
Dann schloss sie seufzend die Augen, sank ins Kissen zurück und schlief von einer Sekunde zur anderen ein – eine Skinhead-Märchenprinzessin im scharlachroten Ballkleid.
Ich setzte mich noch einen Moment lang neben sie auf die Bettkante, um sicherzugehen, dass kein epileptisches Beben ihre Augen oder Hände erschütterte. Aber ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig und sie schlief so tief und fest wie eine erschöpfte Zehnjährige. Schließlich gab ich ihr einen Kuss auf die Stirn und atmete mit geschlossenen Augen den Vanilleduft ihrer Haare ein.
Als ich aufstand, zitterten meine Knie. Ich ging in die Küche, wo Emily immer noch am Tisch saß und Mehl siebte.
»Ich bin dann mal weg. War nett, dich kennenzulernen, Emily.«
Sie legte das Sieb beiseite und seufzte. »Tut mir leid, wenn ich vorhin ein bisschen genervt war. Manchmal hab ich es einfach satt, ihre Mom zu spielen.«
Ich bekam eine Ahnung davon, wie es war, eine Innovatorin zur Schwester zu haben: Ständig stellte sie irgendwelche verrückten Sachen an, bekam die ganze Aufmerksamkeit (sowohl positive als auch negative), klaute einem erst das Spielzeug und später dann die Klamotten und war am Ende auch noch viel cooler als man selbst. Das konnte schon ganz schön nervig sein.
Meine Freundschaft mit Jen hatte mich heute knappe tausend Dollar gekostet, mein Achselzucken war also voller Mitgefühl. »Kein Problem.«
Emily deutete mit dem Kopf auf die geschlossene Zimmertür. »Ist alles in Ordnung mit ihr?«
Ich nickte. »Sie ist nur total durch. War eine ziemlich abgefahrene Party.«
»So viel hab ich schon mitbekommen.« Ihr Blick blieb an meinen purpurfarbenen Händen hängen, aber sie sagte nichts.
Ich schob sie in die Hosentaschen. »Jedenfalls brauchst du dir keine Sorgen um sie zu machen. Spätestens morgen ist sie wieder topfit.«
»Das hoffe ich, Hunter. Gute Nacht.«
»Gute Nacht. Äh, war nett, dich kennenzulernen.«
»Das sagtest du bereits.«
Auf dem Nachhauseweg packte mich diese seltsame Euphorie, die einen manchmal überkommt, wenn man zu Tode erschöpft ist. Meine Lippen, nein, mein ganzer Körper kribbelte – von dem Kuss, dem Gratis-Noble-Savage und der schlichten Erkenntnis, dass ich Jen – ungeachtet meiner purpurroten
Hände, des Anti-Kunden oder ihrer älteren Schwester – morgen wiedersehen würde. Sie mochte mich. Sie mochte mich.
Ich hatte sogar mein Handy wieder. Kaum hatte ich das gedacht, sah ich plötzlich wieder die »Ruf mich an«-Geste der Frau auf der Museumstreppe vor meinem inneren Auge.
Aber wie sollte ich das anstellen, ohne ihre Nummer zu haben? Ich zog mein Handy heraus.
Mir fiel ein, dass der Glatzkopf mich angerufen hatte, als ich mich hinter dem Meteoriten versteckt hatte, also prüfte ich die Liste der eingegangenen Anrufe. Seiner war zwar mit Datum und Uhrzeit angegeben, aber die Nummer war unterdrückt.
Vielleicht hatten sie irgendetwas auf der SIM-Karte gespeichert, während sie das Handy gehabt hatten. Ich scrollte durch meine Namensliste und suchte nach Neueinträgen.
Als ich bei Mandys Namen angekommen war, hielt ich inne. Natürlich! Sie hatten ja jetzt ihr Handy. Wenn ich sie aufspüren wollte, um Mandy aufzuspüren, brauchte ich sie bloß anzurufen.
Mein Daumen schwebte unschlüssig über der Anruftaste, aber ich war zu erschöpft. Ich fühlte mich
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