Cool Hunter
wette, ja (oder spätestens in ungefähr einer Minute). Na los, kratzt euch ruhig.
Die Ansteckung in South Carolina erfolgte nach dem gleichen Prinzip wie beim Gähnen – von einem Gehirn zum anderen.
Und wie bekam man diese Epidemie wieder in den Griff? Ganz einfach. Das Unheil wurde aus der Fabrik herausgeräuchert, indem vor aller Augen Pestizide verspritzt wurden. Und zwar echte Pestizide. Denn nur wenn man glaubt , dass die eingebildeten Insekten tot sind, können sie einen auch nicht mehr stechen. Das ist ein bisschen so wie bei der Zahnfee … die Insekten existieren nur, wenn man an sie glaubt.
Und damit war die Epidemie gestoppt.
»Du meinst, das waren gar keine richtigen epileptischen Anfälle? «
»Anfangs schon, zumindest ein paar davon, aber in den meisten Fällen nicht«, sagte mein Vater. »Nach dem, was ich darüber gelesen habe, war die Anzahl der Kinder, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, zu Beginn noch recht niedrig. Erst als in den Nachrichten über die Anfälle berichtet wurde, waren plötzlich immer mehr Kinder betroffen. Eltern gerieten in Panik und übertrugen ihre Ängste auf ihre Kinder. Die gingen am nächsten Tag in die Schule und unterhielten sich natürlich in den Pausen darüber. Die meisten wurden erst ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem der entsprechende Ausschnitt aus der Folge in den Nachrichten gesendet wurde. Ich schätze, sie wollten einfach nur dazugehören.«
»Klingt ziemlich einleuchtend.« Ich dachte an die Party zurück. Vielleicht irrte sich Jen mit ihrer Vermutung, der Anti-Kunde hätte die Paka-Paka-Technik perfektioniert, damit sie bei jedem funktioniert. Das war gar nicht notwendig gewesen. Die Mini-Anfälle hatten sich genau wie die eingebildeten Insekten verbreitet – sie waren von einem Gehirn zum nächsten übergesprungen. Der PooSham-Spot, der verwirrte Menschen mit einer Sprachstörung gezeigt hatte, wirkte auf die Zuschauer wie eine Art Hypnose, die sie unbewusst dazu veranlasste, sich genauso zu verhalten. (Dass Werbespots das Verhalten manipulieren sollen, ist ja nichts Neues.) Vielleicht hatten nur ein paar Leute tatsächlich körperlich auf die farbigen Stroboskopblitze reagiert. Und diese wenigen hatten dann wie Trendsetter, die einen Style massenkompatibel machen, alle anderen auf der Party mit sich in den Strudel der Verwirrung gerissen.
Es braucht nur ein paar Menschen, die leicht zu manipulieren sind – der Rest folgt dann von ganz allein.
»Solche Epidemien sind ein ziemlich verbreitetes Phänomen«, erklärte mein Vater. »Vor allem unter Kindern und Jugendlichen. «
»Handelt es sich bei deinen roten Händen vielleicht auch um eine solche Epidemie, Hunter?«
»Nein, Mom. Davon sind nur Kevin Bacon und ich betroffen. «
»Ach, wirklich? Dabei hat er nie einen besonders ›punkigen‹ Eindruck auf mich gemacht.«
Ganz recht, sie sagte »punkig« und malte dabei Anführungszeichen in die Luft.
Ein Anruf von Cassandra, Mandys Mitbewohnerin/Lebensgefährtin, rettete mich vor weiteren Fragen.
»Cassandra! Hast du was von Mandy gehört?«
»Ja, sie hat gestern Abend angerufen. Sie musste total überstürzt geschäftlich wegfahren und hatte keine Zeit, sich vorher zu melden.«
»Sie hat selbst angerufen? Von ihrem Handy aus?«
»Ja natürlich. Wieso fragst du?«
»Ähm, wie hat sie denn … ich meine, hat sie geklungen, als wäre alles okay?«
»Ein bisschen gestresst vielleicht. Kein Wunder, sie hatte ja noch nicht einmal Zeit zu packen, aber gerade hat ein Bote ein paar Sachen für sie abgeholt. Jedenfalls dachte ich, ich geb dir kurz Bescheid, weil du doch eine Nachricht auf dem AB hinterlassen hast. Mandy meinte, dass sie dort draußen manchmal kein Netz hat.«
»Dort draußen?«
»Irgendwo in Jersey, glaub ich.«
Ich fuhr mir durch die Haare und überlegte, ob ich ihr vom Anti-Kunden und den seltsamen Ereignissen der letzten zwei Tage erzählen sollte, beschloss dann aber, sie nicht unnötig mit meinen möglicherweise eingebildeten Insekten anzustecken.
»Hat sie gesagt, wann sie wiederkommt?«
»Nur dass ich ihr Sachen für ein paar Tage zusammenpacken soll. Und dass du sie jederzeit anrufen kannst.«
Ich biss mir auf die Unterlippe.
Klar. Genau das wollten sie.
Ich verabredete mich mit Jen in dem Wohnzimmer-Café mit den durchgesessenen Sofas und dem starken Kaffee in Riesenschalen. Eine Nacht postepileptischen Schlafs hatte ihr gutgetan. Sie sah schon viel besser aus. Sie sah sogar fabelhaft aus. Ich war
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