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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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ein paar getrunken hat .
    Als ich die Waffe auf das Fenster richtete, war mir nichts ferner, als zu schießen. Aber ich tat’s, ich zog durch, und das verdammte Ding knallte los. Ich war außer mir, das müssen Sie mir glauben!«
    Er zögerte einen Augenblick, ehe er flüsternd fortfuhr.
    »Als ich von draußen das Schreien hörte, war es das Schlimmste, was ich je im Leben gehört habe. Dieses Schreien werde ich nicht vergessen, auch wenn ich hundert Jahre alt werde. All die durcheinanderbrüllenden Leute … Ich lief hinaus, und dann sah ich sie.
    Ich wußte sofort, daß sie tot war. Mir war so übel, daß ich fast ohnmächtig geworden wäre. Aber ich schwöre zu Gott, ich hatte keine Ahnung, daß sie da war. Es war ein Unfall, eine unverzeihliche, blöde Achtlosigkeit …«
    Er schüttelte den Kopf und seufzte müde.
    »Ich sage Ihnen eins, Mr. Elwell. Als ich aus dem Gefängnis heraus war, faßte ich den Entschluß, mich zu ändern. Ich mußte mich einfach ändern. Es ging doch nicht an, daß ich weiter in der Welt herumspazierte und andere unter meinem Leichtsinn leiden ließ.«
    Elwell trat ins Licht.
    »Und was wollen Sie jetzt von mir?« fragte er.
    »Etwas, das Sie mir vielleicht nicht geben wollen, Mr. Elwell.«
    »Und das wäre?«
    Lyons’ nächste Worte waren kaum noch zu verstehen.
    »Ihre Vergebung«, flüsterte er. »Deswegen bin ich hier, Mr. Elwell. Mein Leben verläuft inzwischen in normalen Bahnen. Ich habe eine gute Stellung als Vertreter einer Teppichfabrik. Mir geht es gut. Nur eins fehlt mir noch. Daß Sie sagen: ›Okay, Jake, ich verstehe Sie, ich verzeihe Ihnen.‹«
    Er schwieg erwartungsvoll.
    »Ist das zuviel verlangt, Mr. Elwell?«
    Als Elwell schließlich auf ihn zukam, wußte er, daß er die richtige Antwort hören würde.
    »Na schön, Mr. Lyons. Wenn Sie extra deswegen zu mir gekommen sind, will ich Ihnen den Gefallen tun. Natürlich kann ich die Erinnerung nicht völlig auslöschen, das ginge auch gar nicht. Aber ich weiß jetzt, daß Sie kein Verbrecher sind. Sie haben für Ihre Tat gebüßt.«
    Zögernd berührte er Lyons an der Schulter.
    »Ich vergebe Ihnen«, sagte er, und seine Stimme klang feierlich.
    Erleichterung und eine geradezu ekstatische Freude malten sich auf Lyons’ Gesicht. Er stand auf und verkrampfte die Hände ineinander.
    »Vielen Dank«, sagte er heiser. »Vielen Dank, Mr. Elwell. Sie wissen ja gar nicht, was mir das bedeutet! Sie haben wirklich keine Ahnung!«
    Er stand auf und ging in den Flur. Da Elwell ihm nicht folgte, öffnete er allein die Haustür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um.
    »Vielen Dank, Mr. Elwell!« rief er. »Tausend Dank!«
    Leichten Schrittes überquerte er den Rasen und schob sich breit lächelnd hinter das Steuer. Er drehte den Schlüssel, legte den Rückwärtsgang ein und trat auf das Gaspedal. Das Gespräch hatte seine Gefühle dermaßen aufgewühlt, daß er nicht nach hinten blickte und die Frau nicht wahrnahm, die über die Straße auf das Haus zukam, eine Einkaufstüte im Arm. Als er endlich von ihr Notiz nahm, hatten sich die hinteren Schutzbleche und vorstehenden Zierflossen des Wagens bereits mit einem häßlichen und unvergeßlich dumpfen Laut in ihren Körper gebohrt. Er bremste mit schreckensbleichem Gesicht – doch schon wußte er, daß er zu spät reagiert hatte. Wie aus weiter Ferne hörte er die Haustür gehen, hörte er Elwells Schritte auf dem Kies. Er stieg aus. Die aufgeplatzte Einkaufstüte lag pathetisch auf dem Bürgersteig neben dem zerschmetterten Frauenkörper, umgeben von Äpfeln und Orangen.
    »Dorothy! Dorothy!« Die Stimme wurde schrill. »Dorothy!« kreischte Elwell und beugte sich über die Frau. Jake Lyons stand versteinert neben dem noch immer brummenden Auto und machte sich darauf gefaßt, dem Blick des Witwers zu begegnen.

Veranstaltungen an Bord
    Wenn man auf der Rue de Montparnasse Beachtung finden will, wenn man die Blicke von Liebespaaren, Aperitif-Genießern und ausstellenden Künstlern bannen möchte, muß man vom Aussehen oder Betragen her schon etwas Einmaliges bieten. Owen Layton erreichte dieses Ziel mit einem zerknitterten englischen Tweedanzug, einem graugefleckten Bart im Stile eines Ulysses S. Grant und zwei Krücken, die seinen unförmig bandagierten Fuß vor dem Pariser Pflaster schützten. Darüber hinaus zeichnete ihn eine besondere Fröhlichkeit aus, ein offenes Gesicht und eine flotte Art, die nicht recht zu Krücken und Verbänden und den damit verbundenen

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