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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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und Besatzungsmitglieder auf dem A-Deck.
    Endlich erreichten sie Kabine G, wo Owen seinen grünen Plaidmantel und seinen Homburg ablegte und sich mit nicht gespielter Müdigkeit auf die Koje sinken ließ. Erst der Anblick von Robins blassem Gesicht brachte ihn wieder zum Lächeln.
    »Beruhige dich«, sagte er und lachte leise. »Es klappt schon alles. Zuerst erledigen wir das mit den Pässen, dann rufen wir den Steward.«
    Robin schloß die Kabinentür, ehe er den Paß aus der Manteltasche zog. Owen holte ebenfalls sein Reisedokument hervor und machte sich daran, aus beiden Heften die kleinen Photos zu entfernen. Aus einer winzigen Tube preßte er Klebstoff und machte die Bilder wieder fest – jeweils im anderen Paß.
    »Schön«, sagte er. »Jetzt klingeln wir nach dem Steward.«
    Der Mann, der gleich darauf eintrat, entzückte Owen. Es handelte sich um einen ziemlich alten Cockney mit einem dünnen weißen Haarschopf und den kneistigen Augen eines Kurzsichtigen.
    »Alles in Ordnung, Mr. Layton?«
    »Alles bestens«, sagte Owen. »Sie sind Mr. Pawkins?«
    »Jawohl, Sir, das bin ich, Sir«, antwortete der Steward.
    »Kommen Sie doch mal her, Mr. Pawkins«, sagte Owen und stemmte sich mit Hilfe einer Krücke in eine sitzende Position hoch. »Leider werde ich Ihnen auf dieser Reise etwas zur Last fallen, da möchte ich gleich alles regeln.«
    »O nein, Sir«, sagte Pawkins und schüttelte energisch den Kopf. »Mir fallen Sie bestimmt nicht zur Last. Service, das ist bei mir selbstverständlich, davon können Sie ausgehen.«
    »Siehst du?« Owen grinste seinen Bruder an. »Deshalb gefällt mir die British Line so gut – das Essen ist scheußlich, das Personal dafür um so besser. Mr. Pawkins …«
    »Ja, Sir?«
    »Wie Sie selbst sehen, bin ich so etwas wie ein Krüppel.«
    Der Steward schnalzte bedauernd mit der Zunge. »Meine Güte, Sir. Ihr armer Fuß, wie?«
    »Ja, mein armer Fuß. Folglich werde ich alle Mahlzeiten in der Kabine einnehmen müssen; bitte arrangieren Sie das Nötige. Ich hoffe, es läßt sich einrichten?«
    »O ja, Sir, machen Sie sich darüber keine Gedanken.«
    »Außerdem werde ich nicht an Deck kommen. Erzählen Sie mir nichts von Ihren großartigen Stabilisatoren, die sind mir nicht neu. Die kleinste Rollbewegung ist schmerzhaft für mich, ich werde mich also bis zum Anlegen in der Kabine aufhalten.«
    »Ach!« sagte Pawkins. »Das ist wirklich schade, Sir.«
    »Schon gut«, sagte Owen lächelnd. »Ich habe bis New York eine Menge aufzuarbeiten. Der Papierkram wird mich in Atem halten. Wenn Sie mir also nur mein Essen bringen und mir ansonsten alle Störungen vom Hals halten würden, wäre das wunderbar. Einverstanden?«
    Pawkins legte zwei Finger an die Mütze. »Ganz wie Sie wünschen, Sir!«
    Owen grinste und salutierte spöttisch, als der Steward die Kabine verlassen hatte.
    »Püh!« machte Robin. »Mit dem Kerl haben wir Glück, ein hilfsbereiter alter Knabe.«
    »Sei dir deiner Sache nicht zu sicher«, warnte Owen. »Er ist nur ein bißchen zu freundlich. Wenn er Konversation zu machen versucht, ignoriere ihn. Sorge dafür, daß er vor dem Eintreten anklopft, damit du Zeit hast, in die Koje zu steigen und dich zwischen die Papiere zu wühlen.«
    »Ja.«
    »Ab und zu solltest du dich schlafend stellen, mit dem Gesicht zur Wand – oder so ähnlich. Du mußt verhindern, daß er dich richtig anschaut, Robin, das ist wichtig!«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Robin gereizt. »Das hast du mir schon tausendmal gesagt.«
    »Ich kann es nicht oft genug wiederholen. Du mußt wie ein Gefangener in dieser Kabine hausen, begriffen?«
    »Spaß wird es mir nicht machen.«
    »Nein«, sagte Owen. »Spaß macht es sicher auch nicht, in Hoboken Gastanks zu füllen. Jedenfalls nicht so viel Spaß wie ein Leben am linken Seineufer mit pferdeschwänzigen jungen Pariserinnen …«
    »Ich hab doch gesagt, daß ich’s mache, Owen! Hör auf, mich zu piesacken!«
    Owen lächelte. »Schließlich habe ich mir die harte Arbeit aufgehalst. Einschließlich des Fluges heute nacht.« Er erschauderte. »Für mich ist das das Schlimmste überhaupt. Wie hoch fliegen die verdammten Dinger eigentlich?«
    »Neuntausend Meter, glaube ich.«
    »Unvorstellbar!« Er griff nach unten und begann die Bandage vom rechten Fuß zu lösen. »Na schön«, sagte er.
    »Fangen wir an. Die Besucher müssen bald an Land.«
    Zehn Minuten später verließ Owen Layton die Kabine. Die Krücken waren zurückgeblieben, die Bandage lag

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