Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)
und ich müssen zu Fuß nach Hause laufen. Das ist ganz schön weit, und ich bin ganz schön müde.
Kopfschmerzen habe ich auch.
Das Pochen in meinem Kopf wird immer schlimmer. Vielleicht kommt es daher, dass ich mir Sorgen um Anti mache. Aber das ist natürlich Quatsch. Die Klimaerwärmung, meine nächste Mathearbeit und Lena, das sind Sachen, über die ich mir Sorgen machen sollte. Um Anti muss man sich keine Sorgen machen, die kommt immer durch.
Irgendwie.
Niki läuft neben mir am Rand der Straße, auf der so früh am Morgen noch nichts los ist. Abgesehen von den vielen Hühnern, die überall herumflattern. Niki trägt ihre hochhackigen Schuhe in der Hand, weil ihr die Füße wehtun, und schwärmt die ganze Zeit davon, dass sie schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt hat.
»Ich verstehe nur nicht, Chéri, warum du so wild auf Kaninchen bist.«
»Das ist eine lange, sehr, sehr lange Geschichte ...«, antworte ich.
»Pas de problem. Wir haben viel, viel Zeit«, erwidert Niki.
Niki zeigt voraus, wo am Horizont der Kirchturm von Keinklagenstadt zu sehen ist. Das ist noch ein ganz gutes Stück, und warum soll ich es ihr nicht erzählen? Dann geht die Zeit schneller vorbei, und außerdem verringere ich so die Gefahr, vor Müdigkeit umzufallen und mir auf dem rauen Asphalt der Landstraße den Kopf aufzuschlagen.
»Also, das ist so ...«, beginne ich, und je länger ich Niki von Lena und mir berichte, desto aussichtsloser erscheint mir meine ganze Situation.
Mit Lena ist es aus, endgültig aus, und eher findet man auf der Insel Mauritius eine lebende Dronte, als dass wir zwei wieder zusammenkommen.
Das ganze Lena-und-ich-Ding ist einfach aussichtslos.
»Mais, c ’ est très simple, Chéri«, erklärt Niki, als ich fertig bin. »Das ist doch ganz leicht. Du musst sie nur eifersüchtig machen.«
»Tolle Idee! Und mit wem?«
»Avec moi! Ich helfe dir gern«, erklärt Niki und lächelt mir zu. Dann fängt sie an, von ihren unglücklichen Beziehungen zu erzählen, und das sind ganz schön viele. Die Liste ihrer Verflossenen in alphabetischer Reihenfolge: Albert, André, Antoine, Arthur, Baptiste, Bastien, Benoît, Bernard, Cédric, Christian, Christophe, Claude ... Das sind schon zwölf, und dabei bin ich gerade erst bei C. Hochgerechnet auf das ganze Alphabet wären das 104. Gegen Niki bin ich ein richtiger Anfänger, was gebrochene Herzen angeht.
Ich denke, es ist höchste Zeit, meine Meinung über sie zu korrigieren.
Vor unserem Ausflug zu Bommelkamps Schweine- und Hühnerfarm hielt ich sie für eitel, oberflächlich, kaufsüchtig, geschwätzig, langweilig, verwöhnt und noch ein paar andere Sachen, die nicht sehr nett waren.
So ist sie nämlich gar nicht. In Wirklichkeit ist Niki ziemlich clever, herzensgut, humorvoll, liebenswert, nett, und außerdem sieht sie auch noch verdammt gut aus, und als extra Bonuspunkt – sie kann bauchreden.
Als wir endlich in Keinklagenstadt ankommen, hilft Niki mir sogar dabei, die Suchanzeigen für Schnüffis Doppelgänger aufzuhängen. Wir kleben die Zettel an Bäume und Litfaßsäulen. Aber das ist gar nicht so leicht, weil da überall schon Plakate für die Bürgermeisterwahl und Suchmeldungen hängen, auf denen nach Hunderten von Putzis, Wuschis oder Hoppels gefahndet wird. Zwischen den ganzen Zetteln ist kaum noch ein freier Platz zu finden. Die Stadt ist regelrecht vollgekleistert damit.
Anti hat in den letzten Tagen ganze Arbeit geleistet, und jetzt kapier ich endlich, warum sie sich heute Nacht Bommelkamps Schweine- und Hühnerfarm vorgenommen hat: In ganz Keinklagenstadt gibt es einfach keine eingesperrten Haustiere mehr, die sie befreien könnte. Die laufen alle schon frei herum, wenn sie nicht überfahren worden sind.
Unser Heimweg führt uns auch an der Villa des Bürgermeisters vorbei. Im Vorgarten hat sich ein kleines Zeltlager gebildet, in dem Mahmouds treueste Fans ausharren und unbeirrt weiter gegen den Bürgermeister demonstrieren, weil sie nicht ahnen, dass der sich längst abgesetzt hat.
Ich werde es ihnen nicht verraten und suche stattdessen die Wände der Villa nach Einschusslöchern ab. Zum Glück kann ich keine entdecken. Die Schüsse gestern Nacht müssen woandersher gekommen sein, und das beruhigt mich ein wenig.
Von Mahmoud ist nichts zu sehen, und auch Alex und Justin kann ich nirgends entdecken. Als Niki sich bei den Demonstranten nach ihrem Landsmann erkundigt, erfährt sie, dass Mahmoud in seinem weichen Bett im Gästezimmer des
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