Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)
Bürgermeisters liegt und schläft. Er hat das karge Lager schon gestern Abend gegen die Annehmlichkeiten der Villa eingetauscht. Er hat vorzüglich gespeist, sich kurz am Fenster seinen Anhängern gezeigt, anschließend gebadet und wird erst nach dem Mittagessen wieder zurückerwartet. Seltsamerweise scheint ihm das keiner der anderen Demonstranten, die die ganze Nacht hier draußen verbracht haben, übel zu nehmen. Im Gegenteil: Die finden das alle völlig in Ordnung, dass sich ihr Anführer für die anstrengenden Herausforderungen, die vor ihm liegen, ausruht und stärkt. Das hat er ihnen so erklärt, und sie haben es einfach geschluckt und sogar eine Art Altar gebaut, damit der Meister immer in ihrer Nähe ist. Auf einer Fußbank stehen ein Foto von Mahmoud, ein Wasserglas mit Mohnblumen und jede Menge Teelichter. Davor liegen ein Haufen Stofftiere und ausgeschnittene Pappherzen, auf denen Sprüche wie »Mahmoud for President« oder »Wir folgen dir, egal wohin« stehen.
Ich gebe es ungern zu, aber ich habe Mahmoud unterschätzt. Der Kerl ist noch gerissener, als ich dachte.
Niki und ich laufen weiter, weil ich noch etwas Wichtiges zu erledigen habe. Schnüffis Grab ist ganz in der Nähe und die Gelegenheit günstig, weil so früh am Morgen noch nicht viele Leute unterwegs sind. Ich spreche ein kurzes Gebet für Schnüffi und beginne dann schnell, sein rosa Halsband auszubuddeln. Vielleicht kriege ich durch die Suchanzeigen ja doch noch irgendwoher ein Kaninchen, und dann werde ich das Halsband brauchen, damit Lena mir glaubt, dass es auch wirklich ihr Schnüffi ist.
Das Graben ist eine ziemlich dreckige Angelegenheit, weil ich keine Schaufel habe und mit den Händen buddeln muss. Niki hilft mir, obwohl das Buddeln in der steinigen Erde ihrem Nagellack überhaupt nicht bekommt.
Sie ist eine echte Freundin.
Gerade als ich mit den Fingern auf den bereits etwas angewesten Kadaver stoße, hält plötzlich ein Wagen neben uns. An der Stoßstange und der Windschutzscheibe kleben weiße Federn, und erst als die Fahrerin die Scheibe heruntergekurbelt hat, sehe ich, dass es Anti ist, die uns durch ihre schwarzen Haare hindurch anstarrt.
»Was um alles in der Welt macht ihr da?«
Ich greife schnell nach dem Halsband, um es einzustecken. Das ist gar nicht so einfach. Ich muss dreimal kräftig ziehen, ehe ich es freibekomme und in meiner Jackentasche verschwinden lassen kann.
»Wo um alles in der Welt hast du gesteckt?«, frage ich zurück, um Anti von meiner Ausgrabung abzulenken. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich hatte schon befürchtet, dieser Bommelkamp hat dich zu Schweinefutter verarbeitet.«
»Ich bin los und habe Verstärkung geholt, um euch zwei aus dem Stall zu befreien«, erklärt Anti und zeigt auf die Rückbank des Wagens.
Dort sitzen Alex und Justin, und als sie meinen Blick bemerken, winken sie mir zu.
»Kommt! Steigt ein, ich bring euch zur Schule! Eure Sachen habe ich dabei«, sagt Anti und hält uns die Tür auf. »Und unterwegs verratet ihr mir, wie ihr dem Verbrecher Bommelkamp entkommen seid.«
Ich bin zu müde, um es ihr zu erzählen. Brauche ich auch nicht, das übernimmt Niki für mich.
»Na, besser hätte die Aktion ja gar nicht laufen können«, sagt Anti und zeigt stolz auf die Hühner, die überall herumfliegen. »Aber das war ja auch nur die Generalprobe. Das nächste Ding wird richtig groß!«
»Was ist mit Mama und Papa? Haben die sich nicht gewundert, wo wir die ganze Nacht waren?«, frage ich, weil ich lieber gar nicht wissen will, was Antis nächstes »richtig großes Ding« ist.
»Ich habe ihnen einfach gesagt, ihr macht eine Nachtwanderung mit Kauffmann«, erwidert Anti, und das ist eine ziemlich gute Ausrede, weil jeder, der Kauffmann kennt, weiß, dass eine Nachtwanderung mit ihm länger dauert als die Tour de France.
Anti hält in einer Seitenstraße in der Nähe unserer Schule, damit wir ungesehen aussteigen können.
Dann braust sie schnell davon. Sie muss für ihr »richtig großes Ding« noch eine Menge vorbereiten.
Doch, das hätte ich tatsächlich fast vergessen.
»Arbeitet ihr eigentlich noch für Mahmoud?«, erkundige ich mich vorsichtig bei Alex und Justin.
»Alter, der Kerl ist so ein Ego!«, antwortet Alex. »Der will die Mädels alle selber haben. Da ist keine Einzige für uns bei abgefallen.«
»Unser Plan ist echt voll nicht aufgegangen«, sagt Justin und tritt frustriert nach einem Huhn, das so unvorsichtig war, ihm vor die Füße zu laufen.
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