Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)
nicht doch ein Maschinengewehr nur darauf wartet, uns ins Visier zu nehmen.
»Wenn der Lichtkegel das nächste Mal an uns vorübergezogen ist, springen wir auf und laufen zu den Ställen«, erklärt Anti.
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ...«
Weiter komme ich nicht, weil Anti plötzlich aufspringt und laut »Jetzt!« brüllt.
Niki hat ihre Schuhe ausgezogen. Sie hält sie in der Hand und flitzt hinter Anti her, die schon fast den halben Weg zu den Ställen zurückgelegt hat.
So schnell ich kann, folge ich Niki und Anti. Der Lichtkegel verfolgt mich, kriegt mich aber nicht, weil ich immer wieder Haken schlage und alle fünf Meter in Deckung springe. Als ich die beiden Mädchen endlich erreiche, steht meine Schwester an einem Zaun und drückt mit ihren klobigen Stiefeln den Stacheldraht auf den Boden, sodass Niki hinübersteigen kann, ohne dabei ihr Kleid zu zerreißen. Ich springe schnell hinterher, bleibe aber mit dem schlabbernden Ärmel an den scharfen Stacheln hängen.
RATSCH!
Der Stoff reißt, und Anti starrt mich zwischen ihren langen Haaren hindurch wütend an, weil ich ihren schwarzen Pullover kaputt gemacht habe. Als wenn es meine Schuld wäre, dass mir ihre Sachen viel zu groß sind!
Vom Zaun ist es nur noch ein Katzensprung bis zu den Ställen. Aber die letzten Meter haben es in sich. Da gibt es keinerlei Deckung, und der Bauer hat feinen Sand ausgestreut. Der Sand ist frisch geharkt, sodass man beim Laufen Abdrücke hinterlässt.
Außer unseren eigenen kann ich mindestens drei weitere Spuren entdecken:
1) Die Fährte eines riesigen Hundes, könnte aber auch ein Wolf sein.
2) Tiefe Stiefelabdrücke, die in langen Schritten Richtung Wachturm führen.
3) Vier leere Schrotpatronen.
Die Punkte eins bis drei sorgen nicht gerade dafür, dass ich mich wohler fühle. Für einen Moment überlege ich, ob es hier vielleicht sogar irgendwo noch eine Selbstschussanlage gibt. Aber weil es nicht knallt, scheint wenigstens diese Sorge unbegründet.
Beruhigen kann mich das trotzdem nicht.
Anti, Niki und ich pressen uns dicht an die Stallwand und atmen erleichtert durch. Vom Turm aus sind wir nicht zu sehen und damit fürs Erste in Sicherheit.
Von mir aus könnten wir die ganze Nacht hier hocken bleiben, aber Anti will weiter. Sie gibt uns ein Zeichen, ihr zu folgen, und so schleichen wir an der Wand lang, bis wir auf eine Tür stoßen. Aus dem Stall dringen seltsame Geräusche und ein Gestank, den ich Kaninchen überhaupt nicht zugetraut hätte. Es riecht, als hätten sie alle Blähungen, und das liegt wahrscheinlich an dem miesen Futter, mit dem sie hier gefüttert werden. Die kriegen ja bestimmt keine Löwenzahnblätter, die der Bauer eigenhändig in seinem Garten pflückt. Die kriegen irgend so ein chemisches Kraftfutter, das sie schnell groß und stark werden lässt.
»Es ist offen!« Anti dreht sich zu uns um und strahlt. »Ihr bleibt draußen und steht Schmiere!«
Vorsichtig öffnet sie die Tür und schlüpft in den Stall. Niki und ich sehen uns kurz an, dann folgen wir ihr zu den schlafenden Kaninchen.
In dem Stall ist es stockduster, und das macht den Gestank noch unerträglicher.
Wusstet ihr, dass sich das Schnarchen von Kaninchen genauso anhört wie das Grunzen von Schweinen?
Nein?
Ich auch nicht. Und es stimmt auch nicht.
Aber das merke ich erst, als Anti ihre Taschenlampe anschaltet. Im Licht der Lampe tauchen Hunderte von verwirrten Schweinsäuglein auf, die uns müde entgegenblinzeln.
»Das sind keine Kaninchen!«, sage ich, auch wenn das nicht besonders intelligent ist, weil das ja jeder sehen kann.
»Klugscheißer«, erwidert Anti und beginnt, die Schweine nach draußen zu treiben. »Die Kaninchen sind in dem anderen Stall. Um die kümmern wir uns später.«
»Allez! Allez!«, ruft Niki und hilft Anti dabei, den widerstrebenden Tieren die Freiheit zu schenken. Das sieht komisch aus, weil die Schweine gar kein Interesse daran haben und Niki immer noch ihr kurzes schwarzes Kleid trägt. Das ist so ziemlich das unpassendste Kleidungsstück, das man sich in so einem Schweinestall vorstellen kann. Abgesehen vielleicht von einem Raumanzug. Der hätte aber immerhin den Vorteil, dass man den Gestank nicht riechen müsste. Der wird nämlich immer schlimmer, weil die Schweine vor lauter Aufregung überall hinmachen.
»Es ist so schön, Tiere glücklich zu machen! Nicht wahr?!«, freut sich Anti, als endlich alle Schweine im Freien sind.
Die Tiere scheinen das anders zu sehen.
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