Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)
und das sieht Lena mir auch an.
»Niki hat mir alles erzählt.« Lena strahlt mich dankbar an. »Wie du Schnüffi gesucht hast und was du für meinen Vater tun willst! Kannst du mir noch mal verzeihen?«
»Ich verzeihe dir«, antworte ich Lena.
Ich weiß, das hätte ich nicht sagen sollen. Nicht so schnell. Aber ich kann nicht anders, wenn Lena mich so anschaut. Mit der Hand streicht sie liebevoll über die Kratzer in meinem Gesicht.
»Tut es sehr weh?«
»Schon, sehr sogar, aber ich werde ja auf der Bühne gebraucht«, erwidere ich tapfer, obwohl ich die Schrammen überhaupt nicht spüre.
»Dann schnell da hoch mit dir! Worauf wartest du noch?!«
Lena schiebt mich zu den anderen, die mich ebenfalls erleichtert begrüßen. Sogar der Bürgermeister ringt sich ein Lächeln ab.
»Alter, wir hatten schon gedacht, der Wind hätte dich aufs Meer rausgetrieben«, sagt Alex.
»Echt, das hätte Papa gar nicht gefallen, wenn der Fallschirm futsch gewesen wäre«, ergänzt Justin.
»Warum habt ihr denn noch nicht angefangen?«, frage ich.
»Ich habe den Text vergessen, Chéri«, antwortet Niki und zuckt entschuldigend mit den Schultern.
»Kein Problem!« Ich zücke einen Stift und notiere ihr die Zeilen einfach auf ihre Handfläche. »So müsste es gehen.«
»Très bien.« Niki strahlt und gibt Alex und Justin ein Zeichen. Die beiden stöpseln ihre Gitarren an die Verstärker, und Niki schnappt sich ein Mikrofon. Ich stelle mich mit meiner Gitarre daneben, dann geht es auch schon los.
Mit den Verstärkern sind Alex und Justin viel lauter als die Reggaeband. Es dauert nicht lange, und immer mehr Zuhörer wandern von Mahmouds Bühne zu uns ab. Die meisten halten immer noch ihre »Bürgermeister = Kerkermeister«-Plakate in die Höhe, aber ich bin überzeugt, die werden sie wegwerfen, wenn sie erst unseren Song gehört haben.
Niki wartet mit ihrem Einsatz, bis genügend Publikum da ist. Als auch Mahmoud neugierig zu uns herüberschlendert, fängt es an zu regnen. Zuerst nur ganz leicht, dann immer stärker. Doch das stört niemanden, denn genau in dem Augenblick beginnt Niki zu singen.
»Wenn das Leben ein Meer ist,
bist du das Salz und der Strand.
Wenn das Leben ein Haus ist,
bist du Decke und Wand.«
Nikis Gesang klingt wahnsinnig gut. Und das sogar mit geschlossenen Lippen.
So etwas macht ihr so leicht keiner nach.
Als besonderen Spezialeffekt werfen Alex und Justin zwischen zwei Akkorden ihre Sprudelbadebrausetabletten in die begeisterte Menge. Einige der Tabletten fangen bei dem Regen schon in der Luft an, bunt zu schäumen, andere erst, wenn sie auf dem Boden in eine Pfütze fallen. Unsere Fans hüpfen im Takt von Alex’ und Justins Song auf und ab. Sogar der Bürgermeister und die alte Maier lassen sich von der Begeisterung mitreißen und springen mit den anderen vor der Bühne herum.
Während ich so tue, als würde ich auch spielen, zwinkere ich immer wieder Lena zu, die ohne Schirm im strömenden Regen steht und mich verliebt anhimmelt.
Das Leben ist schön!
Vor allem, weil meine Gitarre nicht an den Verstärker angeschlossen ist. Ich weiß, was Wasser und Strom anrichten können, seit ich vor ein paar Jahren leichtsinnig auf einen von COOLMANs klugen Ratschlägen gehört habe.
Diesmal kribbelt es auf meiner Haut nur ein bisschen, gerade so viel, dass ich eine leichte Gänsehaut bekomme. Das muss an der Batterie für die Lämpchen liegen. Alex und Justin dagegen krümmen sich im Rhythmus des Songs, weil sie einen Stromschlag nach dem anderen abkriegen. Das ist bestimmt nicht angenehm, sieht aber gut aus.
Niki ist so hin und weg von der Wirkung unseres Auftritts, dass sie sogar aufhört zu singen – denke ich zuerst. In Wirklichkeit hört sie auf zu singen, weil durch den Regen die Schrift auf ihrer Hand total zerlaufen ist und sie nicht weiterweiß. Sie sieht mich fragend an und zeigt mir ratlos die verschwommenen schwarzen Linien, die einmal mein Text waren. Jetzt muss sie improvisieren, und das tut sie auch. Dass das nicht gut gehen kann, ahne ich, noch ehe sie angefangen hat.
»Wenn la vie ein Auto ist,
bist du die Panne und der Stau.
Und falls la vie ein Stall ist,
bist du der Bulle und die Sau.
Denn du als unser Bürgermeister,
du bist einfach Scheibenkleister.«
Beim Publikum kommt der neue Text gut an. Bei Lena und dem Bürgermeister weniger. Lena wirft mir einen wütenden Blick zu, dreht sich um und rennt davon.
Ich springe von der Bühne und laufe ihr nach. Auf der Straße
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