Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)
Anti heute nicht zu Hause, das kann ich sehen, weil ihre Matratze in meinem Zimmer noch völlig unbenutzt aussieht. Wenn sich COOLMAN hier um jemanden Sorgen machen sollte, dann bin ich das.
Ich schaue auf meinen Wecker.
Es ist eine Minute vor fünf.
Um Punkt fünf Uhr ertönt draußen auf der Straße eine quäkende Hupe. Ich stehe auf, schlurfe ans Fenster und schaue hinaus. Vor unserer Einfahrt steht ein Militärjeep mit laufendem Motor. Es hätte mich auch nicht überrascht, wenn Justins Vater mich mit einem Panzer abgeholt hätte. Aber entweder ist der gerade in der Werkstatt, oder er kann sich eine Spritztour damit bei den derzeitigen Benzinpreisen nicht leisten.
So viel verdienen Soldaten ja auch nicht.
Ehe die Hupe ein zweites Mal quäkt und meine Eltern aufweckt, beeile ich mich, vor die Tür zu kommen. Da ist es ganz praktisch, dass ich mich gestern Abend gar nicht erst ausgezogen habe.
»Morgenstund hat Blei im Mund!«, schmettert mir Justins Vater zur Begrüßung entgegen. Er hat wieder seine Uniform mit den vielen Orden an und eine Offiziersmütze auf dem Kopf. Außerdem trägt er eine Sonnenbrille, obwohl es draußen noch ganz dunkel ist.
Ich klettere hinten in den Wagen, wo Alex und Justin noch halb schlafend auf mich warten und mich müde begrüßen. Sie haben sich ihre Gitarren zwischen die Beine geklemmt, und damit sehen sie tatsächlich so aus wie Soldaten, die mit ihren Gewehren in irgendeinem Krisengebiet auf Patrouille fahren.
Ich sitze noch nicht richtig, da gibt Major Horst auch schon Vollgas und rast mit uns dem blassen Rot der Morgendämmerung entgegen.
»Wo ist denn hier der Sicherheitsgurt?«, rufe ich nach vorn, weil ich keinen finden kann.
Trotz des hohen Tempos lenkt Justins Vater nur mit einer Hand. In der anderen hält er einen Revolver, mit dem er während der Fahrt auf entlaufene Hühner, Kaninchen und Meerschweinchen schießt, die sich leichtsinnig rechts und links der Straße blicken lassen.
»Im Schwimmbad trägst du doch auch keine Schwimmflügel mehr, oder?«, schreit Major Horst nach hinten, um den dröhnenden Motor und die Schüsse zu übertönen. »Wenn wir plötzlich unter Granatenbeschuss kommen, musst du schnell raus aus dem Wagen. Da stören so Warmduscher-Gurte nur.«
Auch wenn ich nicht glaube, dass wir hier in Keinklagenstadt unter Granatenbeschuss geraten, begnüge ich mich mit der Antwort und ergebe mich in mein Schicksal. Eigentlich ist es ja auch egal, ob ich mein Leben bei einem Autounfall oder bei einem Fallschirmabsturz aushauche.
Das Resultat bleibt dasselbe.
Die kommt uns genau in diesem Augenblick auf dem Bürgersteig entgegen, und beinahe hätte Justins Vater sie über den Haufen geknallt, weil sie gegen die morgendliche Kälte eine Jacke aus Kunstpelz trägt.
Drei Möglichkeiten, wo sie gerade herkommt:
1) Sie war schon in der Kirche bei einem Sehrfrühgottesdienst.
2) Sie kommt vom Joggen und trägt den Pelz, um mehr zu schwitzen und so mehr abzunehmen.
3) Sie hat die ganze Nacht Party gemacht.
Ich tippe auf Nummer drei.
»Wir sehen uns nachher auf der Bühne, Chéri!«, ruft sie uns nach. Dann reckt sie die Daumen in die Höhe und brüllt: »Toi, toi, toi!«
Das ist das Letzte, was ich von ihr sehe. Major Horst biegt plötzlich links auf eine Landstraße ab, die zu dem Militärstützpunkt vor den Toren Keinklagenstadts führt.
So, wie die vier Wachsoldaten am Eingang der Kaserne auf unser Erscheinen reagieren, muss Justins Vater wirklich ein hohes Tier bei der Bundeswehr sein. Zwei Soldaten salutieren feierlich, ein dritter hisst schnell eine Fahne, und der vierte hebt eilig den Schlagbaum in die Höhe. Das ist auch dringend nötig, weil der Jeep den Pfahl sonst zu Brennholz verarbeitet hätte. Justins Vater hat nicht einmal angedeutet, dass er es eventuell in Erwägung ziehen würde, abzubremsen.
Er heizt quer über den Kasernenhof bis zum Hubschrauberlandeplatz, auf dem ein startbereiter Helikopter schon auf uns wartet. Um den Platz herum stehen ein paar Hangars, in denen weitere olivgrüne Hubschrauber auf ihren Einsatz warten. Major Horst parkt den Jeep, indem er ihn einfach in einen Haufen Sandsäcke fährt, die am Rand des Landeplatzes gestapelt sind.
»Das schont die Bremsen«, erklärt er, als er zackig aus dem Jeep springt und auf den Helikopter zugeht.
Der Aufprall hat auch Alex und Justin, die die Fahrt über vor sich hin gedöst haben, aus ihrem Halbschlaf geweckt. Sie schnappen sich ihre Gitarren und folgen ihm.
Ich
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