Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)
beweisen, dass sie sich irrt, drücke ich den Notrufknopf. Ich habe mal von einem Jumbo gelesen. Da sind der Pilot und der Copilot mitten im Flug ohnmächtig geworden. Den Flieger hat dann ein Passagier sicher gelandet, obwohl der nicht die geringste Flugerfahrung besaß. Nur durch die Anweisungen aus dem Tower. Ich sag jetzt mal: Eine Geburt kann auch nicht viel schwerer sein.
»Hier ist der Hausmeister, und ich mach grad Mittagspause«, antwortet eine Stimme, der man anhören kann, dass sie über die Störung ganz und gar nicht begeistert ist.
»Kathrin kriegt ein Baby«, rufe ich aufgebracht.
»Gratuliere, aber was hab ich damit zu tun? Ich kenn keine Kathrin«, antwortet der Hausmeister. Es dauert, bis ich ihn davon überzeugt habe, dass das hier wirklich ein Notfall ist. Dann holt er endlich einen Arzt an die Sprechanlage. Es ist derselbe, der mir den Pickel aufgeschnitten hat, und er sagt Kathrin und mir genau, was wir tun sollen.
Ich erspare euch die blutigen Details der nächsten Stunde, in der sich meine Rolle vor allem darauf beschränkt, Kathrins Hand zu halten. Meine fühlt sich an wie Kartoffelbrei, als wir die Sache hinter uns gebracht haben und das winzige, schrumpelige Baby in ihrem Schoß liegt. Es ist ziemlich hässlich, aber das werde ich Kathrin nicht sagen. Sie hat sich wirklich angestrengt, und da will ich sie nicht beleidigen.
Kathrin kramt ihre Nagelschere aus der Handtasche und reicht sie mir.
»Was soll ich damit?«
»Du musst ihm die Nabelschnur durchschneiden.«
»Mach schon«, mischt sich der Arzt aus der Sprechanlage ein. »Das ist ein kleiner Schnitt für dich, aber ein großer Schnitt für die Menschheit.«
Ich versuche, nicht hinzuschauen, als ich die Schnur mit der Nagelschere durchtrenne.
Als ich fertig bin, applaudieren Kathrin, der Arzt und sogar Alex und Justin, die mit dem ersten Schrei des Kleinen aus ihrer Ohnmacht erwacht sind.
»Alter, das sieht aus, als würdest du eine Autobahn einweihen«, sagt Alex, und Justin ergänzt: »Von wegen Flatterband durchschneiden und so.«
Kathrin achtet nicht auf die zwei. Sie ist immer noch erschöpft, kann aber schon wieder lächeln.
»Der Kleine soll Tiger heißen«, sagt sie.
»Ist das dein Ernst?«, frage ich geschmeichelt.
Kathrin grinst.
»Natürlich nicht«, antwortet sie und grinst noch breiter. »Ich werde ihn Kai nennen.«
In dem Augenblick ruckelt es, und der Aufzug setzt sich wieder in Bewegung. Als wir im Erdgeschoss ankommen, öffnen sich die Türen. Alex und Justin stürzen ins Freie und rufen beide laut »Erster!«.
Ich kann das nicht entscheiden, weil ich immer noch ganz gerührt den kleinen Kai anstarre. Und, ehrlich gesagt: So hässlich ist er gar nicht.
Eigentlich sieht er sogar ganz niedlich aus.
9. Kapitel
Im Trainingslager
Wenn man wie ich in jungen Jahren eine Geburt mitgemacht hat – und damit meine ich nicht meine eigene –, kann einen auch ein lächerlicher Boxkampf gegen Rocky Hagen nicht mehr schrecken. Ich bin quasi durch die Hölle gegangen, danach kommt einem selbst die Wüste wie der Wohlfühlbereich eines Fünfsternehotels vor.
Zumindest denke ich das, als ich mich am nächsten Morgen von Alex und Justin verabschiede.
Alex und Justin müssen noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben, weil dort erst noch ihre Rollstühle repariert werden. Dabei soll denen auf Befehl von Justins Vater auch gleich ein Tarnanstrich verpasst werden. Also, den Rollstühlen, nicht Alex und Justin. Als ich sie verlasse, machen sie sich gerade auf den Weg, um sich ein bisschen auf der Intensivstation umzuschauen. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, aber ich kann mich ja nicht um alles kümmern.
Schließlich muss ich mir noch den Verband abnehmen lassen und bei Kathrin und Kai nach dem Rechten sehen. Dem Kleinen geht’s prima. Ich glaube, er erkennt mich sogar, denn er fängt sofort an zu lachen, als er mich sieht.
»Der kichert immer so, das hat er von seiner Mama«, erklärt Kathrin und grinst. »Ich hab dich hier im Krankenhaus übrigens als Notfall-Hebamme vorgeschlagen. Also wunder dich nicht, wenn du mitten in der Nacht einen Anruf bekommst und am anderen Ende der Leitung nur seltsames Stöhnen hörst.«
»Wie bitte?«, rufe ich entsetzt.
»War ein Scherz«, beruhigt mich Kathrin und lacht. »Aber du warst trotzdem klasse. Danke noch mal. Für alles, was du für uns getan hast.«
»Kleinigkeit«, lüge ich, weil es keine Kleinigkeit war, sondern eines der größten Ereignisse meines Lebens. Das
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