Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)
war so etwas wie mein ganz persönlicher Urknall.
Ich gebe dem kleinen Kai zum Abschied einen Kuss auf die Stirn. Dann gehe ich in mein Zimmer und packe meine paar Sachen. Den blau-roten Bademantel, den Kauffmann mir geschenkt hat, behalte ich gleich an.
Während ich nach Hause laufe, bleiben immer wieder Menschen stehen und applaudieren. Andere halten mir ihre gestreckten Daumen entgegen oder versuchen, mir auf die Schulter zu klopfen. Es hat sich in Keinklagenstadt anscheinend schon herumgesprochen, dass ich gegen Rocky Hagen antrete. Die ganze Stadt feiert mich wie einen Befreier.
Sollen sie, mir ist das egal. Meine Gedanken sind woanders. Die Geburt von Kai hat mich emotional ganz schön mitgenommen. Wenn man bei so einem großartigen Ereignis dabei war, stellt man sich hinterher die ganz großen Fragen:
Was ist der Sinn des Lebens?
Woher komme ich, und wohin gehe ich?
Wieso kriege ich bei den Überraschungseiern immer nur die blöden Puzzles?
Warum hat Zucker keine Vitamine?
Wo ist COOLMAN?
Und wo war er eigentlich, bevor er zu mir kam?
Seit dem Sturz von dem Baum habe ich nichts mehr von ihm gehört, und das ist schon ziemlich lange her.
Nicht, dass mein Leben ohne ihn langweiliger wäre. Das kann ich im Augenblick wirklich nicht behaupten, aber es ist ... wie soll ich sagen ... es ist irgendwie weniger lustig, und vor allem ist es einsamer.
Drei Gründe, warum ich COOLMAN vermisse:
1) Er ist immer da.
2) Er hat immer einen Tipp für mich.
3) Es gibt nichts, was er nicht weiß.
Und um nicht zu sentimental zu werden, gleich noch drei Gründe, warum ich COOLMAN nicht vermisse:
1) Er ist immer da.
2) Er hat immer einen Tipp für mich.
3) Es gibt nichts, was er nicht weiß.
Ich versuche, mich an COOLMANs letzten Auftritt zu erinnern. Das war im Wald, als wir alle glaubten, die Wildschweine fallen über uns her. Da ist er weggelaufen, genau wie Alex und Justin ... und ich.
Plötzlich überkommen mich ein schrecklich schlechtes Gewissen und ein noch schrecklicherer Verdacht.
COOLMAN hat mich bestimmt verlassen, weil ich gemein zu ihm war, und ist bei dem kleinen Kai eingezogen. Für einen wie COOLMAN ist das ja quasi so etwas wie eine bezugsfreie Neubauwohnung, die man sich ganz nach seinen eigenen Vorstellungen einrichten kann. Das würde auch erklären, warum der Kleine die ganze Zeit grinst. Wenn er alt genug ist, werde ich ihm etwas über unsichtbare Begleiter erzählen müssen, damit er nicht jeden COOLMAN-Tipp für die beste Idee seit Erfindung der Fernbedienung hält.
Das ist meine Pflicht gegenüber meinem Nachfolger.
Als ich nach Hause komme, bin ich fest davon überzeugt, dass COOLMAN bei dem kleinen Kai eine neue Heimat gefunden hat. Wenn man einen Gedanken nur oft genug denkt, glaubt man am Ende, dass er auch stimmt. Ganz egal, wie absurd der Gedanke ist.
Genau so werde ich es mit Rocky Hagen machen. Wenn ich mir permanent wiederhole, dass ich ihn im Ring besiegen kann, schaffe ich das auch.
Vielleicht.
Im Vorgarten hüpft Anti in ihrem Kostümchen herum und übt fleißig Cheerleader-Figuren. Dabei lässt sie die rot-blauen Puschel kreisen und brüllt: »Flip, flap, flop, die Bergschule ist top!«
»Was soll der Quatsch?«, frage ich, als sie für einen kurzen Moment innehält, um einen Schluck aus einer Fünfliterflasche mit stillem Himalaja-Wasser zu trinken.
»Das ist kein Quatsch! Ich bin jetzt Cheerleader!«
»Ich sag ja: Quatsch!«
Anti schaut sich um, ob uns auch niemand belauscht, dann beugt sie sich verschwörerisch zu mir und flüstert: »Ich habe herausgefunden, dass Jungs nicht auf kluge, kritische Mädchen stehen. Denen sind die etwas dämlichen nämlich viel lieber.«
»Meinst du wirklich? Das kann ich gar nicht glauben!«, heuchele ich.
»Doch, es stimmt!«, beharrt Anti, und so, wie sie das sagt, scheint sie das bis vor Kurzem auch nicht für möglich gehalten zu haben. »Deswegen tarne ich mich als naive Cheerleader-Tussi, damit sich die gut aussehenden Sporttypen auch mal für mich interessieren. Aber nicht weitersagen! Versprochen?«
»Ehrensache!«, antworte ich, lege den Zeigefinger auf meine Lippen und gehe ins Haus.
Hinter mir höre ich Anti brüllen: »Ene, mene, miste, Talschule in die Kiste!«
In der Küche wartet die nächste Überraschung auf mich. Adolf Schmitz steht neben dem Alligator und probiert aus dem Topf ein Stück von ihrer gekochten Rinderzunge. Die beiden stehen so eng beieinander, wie das sonst nur meine Eltern schaffen, wenn
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