Cop
ist nicht mehr zu flicken. Das gibt Ärger.
Nicht drüber nachdenken. Du kannst es sowieso nicht ändern, also denk nicht drüber nach.
Eins zwei drei vier fünf sechs sieben acht neun zehn elf zwölf.
Sie bückt sich und hebt die größte Scherbe auf: ein Stück vom Rand, ein gut zwanzig Zentimeter langer Halbmond, verziert mit aufgemalten Ranken, und an der scharfen Spitze blüht eine blaue Blume. Falls nötig, wird sie Beatrice die Scherbe in den Körper rammen. Aber nicht heute. Also läuft sie rüber zur Treppe. Unter der ersten Stufe gibt es einen Hohlraum, der ganz im Dunkeln liegt. Sie geht in die Knie, doch als sie die Scherbe dort hineinschieben will, zögert sie. Vor ihrem inneren Auge sieht sie, wie auf einmal eine riesige Klaue aus der Dunkelheit hervorschießt, sie am Handgelenk packt und mit sich reißt. Aber das ist natürlich Quatsch. Im Dunkeln gibt es nichts als Dunkelheit, das weiß sie. Und unter der Stufe ist sowieso kaum Platz, da könnte sich höchstens eine Katze verkriechen. Trotzdem legt sie die Scherbe lieber davor auf den Boden und stupst sie mit der Hand nach hinten, um die Finsternis nicht zu berühren. Später, wenn sie die Scherbe wieder rausholen will, wird sie keine Wahl haben, aber darüber muss sie sich jetzt keine Gedanken machen. Hauptsache, die Scherbe ist gut versteckt, und dort hinten wird sie ganz sicher niemand finden. Es sei denn, Borden hat sie von seiner Ecke aus beobachtet.
Er ist eine Einbildung .
Ja, Borden ist eine Einbildung. Er kann ihr nichts tun.
Als sie aufstehen will, knarrt oben die Tür. Grelles Licht fällt in den Keller. Ihr wird schlecht, sie fühlt sich ertappt, schuldig. Schnell kriecht sie hinter der Treppe hervor und blickt hoch zur Tür.
Schweigend betrachtet Beatrice die Scherben am Boden. Ihr mattes Haar klebt ihr am Kopf und schmiegt sich eng an ihr trauriges, rundes Gesicht. Die Ränder ihrer tief liegenden Augen und die Mundwinkel hängen herab, als würden zwei unsichtbare Hände ihre Wangen nach unten ziehen. Auch ihre Kleider hängen immer schlaff von den runden Schultern, erst am breiten Unterleib beulen sie sich aus und werfen Falten. Sie ähnelt einem Stofftier, das die Hälfte seiner Füllung verloren hat.
Jetzt dreht sie sich um und mustert Maggie, schwer atmend und mit offenem Mund. Nach einer Weile presst sie die Lippen aufeinander, schluckt und räuspert sich. »Wie ist das passiert?«
»Ist mir runtergefallen. Es … Es tut mir leid.«
»Aus Versehen?«
Maggie nickt.
»Sieht aber nicht so aus.«
»So war’s aber.«
»Sieht aus, als hättest du ihn geworfen.«
»Ich hab ihn nicht geworfen. Ehrenwort.«
»Und wie ist er dann da hinten in die Ecke gekommen?«
»Ich räum die Scherben weg, okay?«
»Nein, du hast keine Schuhe an. Du wirst dich noch schneiden.«
Damit dreht sie sich um und geht die Treppe hinauf. Die Stufen biegen sich unter ihrem Gewicht. Wenn ihre Oberschenkel übereinanderstreichen, raschelt es leise. Es erinnert Maggie an das Geräusch, das zu hören war, wenn Daddy früher in der Garage Möbel abgeschliffen hat. Manchmal hat sie ihm dabei geholfen. Vor allem der feine Staub, der vom Sandpapier auf ihre Hände rieselte, hat ihr gefallen. Beatrice hält auf jeder Stufe inne, atmet ein, atmet aus und setzt ihren Weg fort, bis sie schließlich oben ist und in der Küche verschwindet.
Maggie hockt sich auf die Matratze. Sie darf sich nicht in der Nähe des Verstecks unter der Treppe aufhalten.
Kurz darauf kehrt Beatrice mit Handbesen und Kehrblech zurück, eine zerknüllte Plastiktüte in der Rechten. Sie geht genauso runter, wie sie raufgegangen ist, Stufe nach Stufe, immer erst beide Füße nebeneinanderstellend und nach Luft schnappend. Einatmen, ausatmen und weiter. Ganz unten bleibt sie stehen und keucht. Sie wirkt sehr blass, Schweißtropfen glänzen auf ihrer fettigen Haut.
Maggie durchbohrt sie mit dem Blick. Bitte, fall tot um. Bitte, bitte, bitte.
Sie hasst sich für diesen Gedanken. Sie weiß, sie ist ein schlechter Mensch, wenn sie so etwas denkt. Aber sie kann nicht anders. Sie glaubt nicht, dass sie jemanden umbringen könnte – nein, ganz sicher nicht, schon bei der Vorstellung wird ihr schlecht. Aber sie hätte nichts dagegen, wenn Beatrice einfach tot umfallen würde. Natürlich hätte sie dann ein schlechtes Gewissen, weil sie es sich gewünscht hat, aber sie hat ja sowieso schon ein schlechtes Gewissen. Und ihr Leben würde so viel leichter sein.
Dabei tut sie ihr sogar
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