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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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irgendwie leid. Sie spürt, dass auch Beatrice gefangen ist, anders als sie selbst, aber trotzdem. Doch wenn sie sterben würde, wären alle ihre Probleme gelöst. Zumindest wenn sie zum richtigen Zeitpunkt sterben würde, also wenn Henry auf der Arbeit ist und die Kellertür offen steht. Sollte er dann aber zu Hause sein, würde er seine Wut womöglich an ihr abreagieren. Und er hätte keinen Grund mehr, sie am Leben zu lassen.
    »Ach, Gott«, sagt Beatrice. Ihre riesige Brust hebt und senkt sich, hebt und senkt sich.
    »Alles in Ordnung?«
    Keine Reaktion. Beatrice steht bloß da und ringt um Atem. »Ja«, meint sie dann.
    Schade, denkt Maggie. Und hasst sich dafür.
    Beatrice geht rüber zu den Scherben, bückt sich und fegt sie aufs Kehrblech. Nachdem sie sie in die Plastiktüte geleert hat, wischt sie noch einmal über den Boden, knotet die Tüte zu und richtet sich wieder auf.
    Sie hat nicht bemerkt, dass eine große Scherbe fehlt.
    »Pass ein bisschen auf, wenn du hier rübergehst, ja? Du hast ja keine Schuhe.«
    »Kann ich welche haben?«
    »Wozu?«
    »Damit ich mich nicht schneide.«
    »Henry will das nicht.«
    »Na gut.«
    Beatrice betrachtet sie mit leerem Blick. Ihre Stirn legt sich in Falten. »Hat er dir gestern sehr wehgetan?«
    Maggie betastet die dünnen Schorfringe um ihre Handgelenke. Besonders breit sind sie nicht, ungefähr so breit wie der Daumen eines Erwachsenen, aber das Seil hat sich tief in ihr Fleisch eingegraben, und die Haut ist violett verfärbt. Sie denkt an die Ohrfeige und fährt sich mit der Zunge über die aufgerissenen Lippen. Sie denkt an den Fausthieb in die Magengrube, als ihr urplötzlich die Luft wegblieb, an das Gefühl zu ersticken. Vor allem denkt sie an die Angst: Diesmal bringt er mich wirklich um.
    Sie nickt.
    »Es tut mir leid«, sagt Beatrice. »Ich mag es nicht, wenn er das tut.«
    »Er wird niemals damit aufhören.«
    »Er will dir nicht wehtun. Manchmal regt er sich halt ein bisschen auf.«
    »Irgendwann bringt er mich um.«
    »Nein, das wird er ganz bestimmt nicht tun.« Sie presst die Lippen aufeinander und blickt ins Leere. »Jedenfalls nicht mit Absicht.«
    »Aber vielleicht aus Versehen.«
    Beatrice atmet durch die Nase aus. Und schweigt.
    »Du … du könntest mich gehen lassen.«
    »Das ist unmöglich, Sarah. Das weißt du doch.«
    »Er könnte mir dann nicht mehr wehtun. Ich würde euch auch nicht verraten. Ich würde niemandem sagen, wo ich war.«
    »Du weißt doch gar nicht, wie es da draußen ist. Da ist es viel, viel schlimmer als hier. Viel schlimmer, als Henry jemals sein könnte. Das kannst du mir glauben. Ich muss es doch wissen.«
    »Aber ich will nicht hierbleiben.«
    »Ach, Sarah. Wie oft müssen wir diese Diskussion denn noch führen?«
    Maggie schaut auf ihren Schoß, auf ihre ineinander verkrallten Finger, auf den braunen Schorf um ihre Handgelenke.
    »Sarah?«
    »Nicht mehr oft«, erwidert sie, ohne aufzublicken.
    »Schön. Und mach dir keine Gedanken wegen dem Teller, ja? Ich sag Henry nichts davon. Das ist unser kleines Geheimnis.«
    Beatrice macht sich auf den Weg nach oben. Wieder knarren die Stufen.
    Jetzt fall schon tot um. Fall einfach tot um.
    Als Beatrice oben angekommen ist, verlischt die Glühbirne, dann schließt sich die Tür, und es wird dunkel. Maggie hört, wie der Riegel vorgeschoben wird.
    Ihre Augen brauchen ein paar Sekunden, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Eine Weile sitzt sie bewegungslos auf der Matratze.
    Dann steht sie auf, geht zur Treppe und späht in die Schatten unter der ersten Stufe. Sie will die Scherbe noch einmal in der Hand halten, doch bei dem Gedanken, in die Dunkelheit zu greifen, krampft sich ihr der Magen zusammen. Immerhin kann sie eine Ecke des Porzellans erkennen. Schnell beugt sie sich vor, fasst die Scherbe und zieht sie ins Licht. Da ist nichts, das sie am Handgelenk packt, nichts, das ihr über den Handrücken streicht oder an ihren Fingerspitzen nagt. Sie hebt die Scherbe auf, hält sie in der Faust und stellt sich vor, sie würde sie mit der Spitze in Beatrices Arm oder Bein oder Hals rammen. Wieder wird ihr schlecht. Aber egal, sie wird es trotzdem tun. Sie wird ihr die Scherbe in den Körper rammen. Vielleicht nicht unbedingt in den Hals, denn dort verlaufen wichtige Adern, das weiß sie, und sie will Beatrice ja nicht gleich umbringen. Sie will sie nur so schwer verletzen, dass sie ihr nicht folgen kann. Würde Beatrice einfach tot umfallen, würde Maggie ihr keine Träne nachweinen,

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