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Cop

Cop

Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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    Das wäre erledigt. Aber wie soll sie ihren Plan in die Tat umsetzen?
    Maggie schließt die Augen, um sich den exakten Ablauf vorzustellen. Tatsächlich spielt sie mehrere Möglichkeiten durch. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind blutig.
    Nach ein paar Minuten öffnet sie die Augen. Morgen Abend, wenn Henry zur Arbeit gefahren ist, wird sie sich unter der Holztreppe verstecken. Sie wird warten, bis Beatrice ihr das Abendessen bringt. Bis dahin wird mindestens eine Stunde vergehen, Henry wird also schon weit, weit weg sein, was ihre Chancen deutlich verbessert. Sie wird mit dem selbst gebastelten Messer in der Hand unter der Treppe stehen und warten. Normalerweise kommt Donald nur kurz bei Beatrice vorbei, um sich den Teller mit seinem Abendessen abzuholen und sich damit in seinen Wohnwagen hinter dem Haus zu verziehen. Sollte er ausnahmsweise zum Essen bleiben, wird sie ihre Flucht auf den nächsten Tag verschieben. Aber das ist ziemlich unwahrscheinlich. An den meisten Abenden ist sie allein mit Beatrice. Sie wird also mit dem selbst gebastelten Messer in der Hand unter der Treppe warten, und wenn Beatrice herunterkommt, wird sie das Messer durch die Lücken zwischen den Stufen hindurchstoßen. Sie wird ihr die Fußgelenke aufschlitzen. Dann wird Beatrice die Treppe runterfallen. Dabei wird sie natürlich schreien, aber die Wände sind aus dickem Beton, niemand wird sie hören. Sie wird schreien und die Treppe runterfallen und unten mit dem Kopf auf den Boden knallen und einfach liegen bleiben. Bewusstlos. Sodass Maggie die Treppe hochrennen und durch die Haustür fliehen kann. Sie wird durch den Wald zur Straße und die Straße entlang zum Telefon laufen. Sie wird Daddy anrufen, und Daddy wird sie abholen und nach Hause bringen. Sie wird in seinen Armen einschlafen. Und endlich in Sicherheit sein.
    Sollte Donald zum Essen bleiben, wird sie bis übermorgen warten, denn wenn er nicht da ist, hat sie ein Problem weniger. Doch länger wird sie nicht warten. Länger kann sie nicht warten. Sie muss hier raus. Am liebsten würde sie bereits heute fliehen, aber sie hat schon gehört, wie Donald hereingekommen ist. Jetzt sitzt er vorm Fernseher und lacht. Aber das heißt, dass er morgen mit ziemlicher Sicherheit nicht zum Essen bleiben wird. Er bleibt nämlich nicht besonders oft zum Essen.
    Sie kann es schaffen.
    Morgen wird sie in Daddys Armen einschlafen.
    Morgen wird sie endlich keine Angst mehr haben.
    Henry rammt durch die Tür zur Damentoilette im ersten Stock und lässt den Putzwagen im Eingang stehen. Er zerrt ein Paar gelbe Handschuhe aus der Gesäßtasche seiner verdreckten Levis und streift sie sich über die Hände. Das Gummi flutscht locker über die Haut, innen ist es noch nass und verschwitzt von letzter Nacht. Er spreizt die Finger und stößt die Tür der ersten Kabine auf. Das braun lackierte Metallblatt schwingt nach innen und knallt gegen die Trennwand.
    Neben dem Klo hängt ein kleiner Edelstahlmülleimer für Tampons und Binden. Henry zieht ihn aus der Halterung und geht damit zum Wagen, dreht ihn über dem Müllsack um und schüttelt einmal mit aller Kraft. Danach schaut er hinein – an der Innenseite haften noch ein paar blutige Pads. Also schlägt er den Eimer gegen den Haltering des Müllsacks und schüttelt noch einmal. Wie er diesen Teil seiner Arbeit hasst, mit dem modrigen Gestank nach geronnenem Blut und ranziger Möse. Ein weiterer Blick in den Mülleimer: Am Boden klebt noch eine blutbesudelte Binde. Henry greift rein, fasst das eklige Ding mit Mittel- und Zeigefinger und wirft es in den Müll.
    Zurück in die Kabine, den Mülleimer in die Halterung eingesetzt, und weiter geht’s.
    Schon komisch, dass er jetzt diese Toiletten putzt. Er kann sich noch an eine Zeit erinnern, als hier noch gar kein College stand. In seiner Kindheit gab es hier nur Bäume und Unkraut und Brombeersträucher und das Rankengestrüpp der wilden Mustang-Rebe. Er weiß noch, wie er immer in den Ranken herumgeklettert ist. Zwischen den Stämmen und Ästen der Eichen und Walnussbäume flochten sie sich zu richtigen Körben, so dicht wucherten sie. Und er legte sich in die Körbe und ließ sich von den Ranken tragen wie von einer Hängematte.
    Schon komisch, wie eine Stadt heranwächst, ohne dass man es bemerkt. Um einen herum verändert sich alles, alles ist in Bewegung, bis man irgendwann von seinem winzigen Flecken Erde aufblickt und merkt, dass man die Orientierung verloren hat. Alles, was man

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