Cop
Parken. Die Hände am Lenkrad, bleibt sie einfach sitzen und blickt starr geradeaus auf die Backsteinwand des Gebäudes.
»Ich werde sie zurückbringen«, sagt Ian.
Debbie entgegnet nichts, sie nickt nicht einmal, sondern starrt weiter auf die Wand.
»Deb?«
Ein gedehntes Schweigen. Dann: »Geh einfach, Ian.«
Mit einem Nicken stößt er die Tür auf und stellt die nackten Füße auf den Asphalt. Seine linke Hand schließt sich um den Henkel des Drainagegeräts, mit der Rechten stemmt er sich vom Sitz hoch.
Er beißt die Zähne zusammen. »Gibst du mir meine Sachen?«
Wortlos zieht sie die Plastiktüte aus der Tasche und hält sie ihm hin.
»Danke.«
Als er gerade die Tür ins Schloss werfen will, hört er ihre Stimme.
»Ian.«
Er dreht sich um.
Sie sieht ihn von unten herauf an, den Kopf leicht angewinkelt. Ihre Augen glänzen im schwindenden Abendlicht. »Pass auf dich auf, ja?«
Eine Weile steht er da und erwidert ihren Blick, ohne etwas zu sagen. Was soll er auch sagen? Da gibt es nichts. Also nickt er noch einmal und schließt die Tür. Er betrachtet sie weiter durch die Scheibe. Schließlich beugt sie sich vor, legt den Rückwärtsgang ein und setzt den Wagen langsam zurück. Kurz darauf biegt sie auf die Straße.
Ian sieht ihr hinterher, bis die roten Rücklichter verschwinden.
Armando Gonzales sitzt vor dem Rechner der Leitstelle und klickt sich durch eine Partie Backgammon. »Eine sechs. Klar würfelt der Wichser eine sechs, was denn sonst?«, murmelt er, als Ian einen Blick durch die Tür in sein Büro wirft. Unbemerkt geht er an der Tür vorbei zum Schreibtisch von Chief Davis und öffnet die oberste Schublade. Genau, wie er gedacht hat: sein Schlüsselbund. Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel, Revierschlüssel und ein kleiner Plastikanhänger mit dem Logo eines Pannendienstes samt Telefonnummer. Ian steckt ihn in seine Tasche und schließt die Schublade.
Dann geht er weiter in den hinteren Teil des Gebäudes, vorbei am Verhörzimmer und der winzigen Küche in einen kleinen Abstellraum, einen fünf Meter langen und drei Meter breiten Schlauch mit Metallregalen an den Wänden. Und in den Regalen: unzählige Schachteln, einzelne Aktenordner mit draufgekritzelten Nachnamen, stapelweise Fotografien, orangefarbene Verkehrskegel, Schilder, die wahlweise zum VORFAHRT GEWÄHREN , LANGSAM FAHREN oder ANHALTEN auffordern, gelbe Westen mit fluoreszierenden Streifen, gelbes Klebeband zur Tatortsicherung, Schulterriemen, einige Dosen Pfefferspray, ein paar gebrauchte Schnelllader für Dienstrevolver, die schon lange nicht mehr verwendet werden, einige alte Magazine, Handschellen und PR-24-Schlagstöcke. Links von Ian befindet sich ein Spind von der Größe einer Standuhr, Heimat all der Waffen, die die Polizei von Bulls Mouth über die Jahre konfisziert hat.
Ian entriegelt das Schloss, öffnet die Tür und betrachtet das Angebot. Groß ist es nicht. Immerhin entdeckt er eine Remington-Pumpgun mit fünfzehn Zentimeter langem Lauf und abgesägtem Schaft. Er nimmt sie und arbeitet sich weiter durch den Bestand. Leider findet er nichts für größere Distanzen. Also muss er wohl bei Sally’s Gun & Rifle vorbeischauen.
Er geht zurück durch den Flur, die Pumpgun in der einen, das Drainagegerät in der anderen Hand. Auf dem Weg wirft er wieder einen Blick in die Leitstelle, doch Armando starrt noch immer auf den Monitor.
Draußen gönnt er sich eine Pause. Er lehnt sich kurz an die Wand und hustet. Schon der kleine Ausflug ins Revier hat ihn über die Maßen angestrengt, und ihm steht noch ein langer Abend bevor.
Er stößt sich von der Wand ab und geht zum Wagen.
Zu Hause schlüpft er in eine Levis und zieht sich ein Hemd über, wobei er den Katheter unten aus dem Hemd herausführt. Das Drainagegerät verstaut er in einer Umhängetasche. Damit es keinen Rückstau gibt, stellt er den Riemen möglichst lang ein. Nun hat er wieder beide Hände frei.
Zwanzig Minuten später hat er das Apartment bereits verlassen.
Sally’s hat bis acht geöffnet. Es ist 19.45 Uhr, als Ian seinen Mustang auf den Kundenparkplatz an der Ecke Crouch und Reservoir lenkt.
Sie steht hinter der Theke. Sally ist italienischer Abstammung und ein wandelnder Widerspruch – ein Tiger, der an einer Teetasse nippt, wäre gewöhnlich dagegen. Was für ein Anblick: ein Meter sechsundsiebzig purer Sex. Versace-Kleid, hochhackige Schuhe, rot angemalte Lippen, hervorquellende Brüste, kokett ausgestellte Hüfte. Als würde sie nur darauf
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