Cop
Donald?«
Ein gedehntes Schweigen. »Niemand.«
»Du hast es nicht gemeldet?«
»Willst du mich beleidigen? Du bist mein Freund.«
»Ja, aber …«
»Ich stehe zu meinen Freunden.«
»Dann kehr um und lass mich die Sache allein zu Ende bringen.«
»Ich stehe sogar zu meinen selbstmordgefährdeten Freunden.«
»Was soll das jetzt wieder heißen?«
»Dass Henry dich umbringen wird.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es einfach. Und du weißt es auch.«
»Der Typ hat mir meine Tochter weggenommen, Diego. Er hat mein Leben zerstört.«
»Du allein hast dein Leben zu dem gemacht, was es ist.«
Eine ganze Weile antwortet Ian nicht. Er weiß, dass Diego recht hat: Er ist, was er ist, er hat getan, was er getan hat, und was dabei herausgekommen ist, ist sein Leben. Das sind die Fakten. Es hat keinen Sinn, dagegen anzureden.
»Ian?«
»Ja. Du hast recht. Genau deshalb muss ich das jetzt durchziehen.«
»Das kapier ich nicht.«
»Musst du auch nicht.«
»Du hast immer noch die Wahl, Ian. Ich hab Donalds Wohnwagen in Brand gesteckt. Die werden glauben, es war ein Unfall mit dem Gasherd. Wir können das FBI informieren, oder irgendwen anders, wir sagen ihnen alles, was wir wissen, und dann …«
»Moment. Du hast was getan?«
»Kehr um, Ian. Das FBI hat ganz andere Möglichkeiten als du. Die können …«
»Der Sheriff hatte auch ganz andere Möglichkeiten. Danke, Diego, wirklich. Ich weiß, du hast verdammt viel riskiert, und ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin. Aber du kannst mich nicht aufhalten.«
»Verdammt, Ian, jetzt hör mir einfach mal …«
»Fahr nach Hause, Diego. Fahr heim zu Cordelia und lass mich in Ruhe.«
»Wenn du …«
»Ich werfe jetzt das Telefon aus dem Fenster. Schöne Grüße an Cordelia.«
»Nein, du egozentrisches Arschloch, du hörst mir jetzt …«
Ian kurbelt das Fenster herunter. Ein warmer Sommerwind fährt ihm mit der Wucht von hundertzehn Stundenkilometern ins Gesicht. Für einen Moment genießt er die Erfrischung, dann wirft er das Telefon hinaus. Kurz scheint es in der Luft zu hängen, bevor es nach hinten weggerissen wird, sich im Fallen dreht und auf dem Boden aufschlägt. Im Rückspiegel sieht er, wie es zerspringt und über den Asphalt schlittert und dabei Plastikteile versprüht, bis es nichts mehr zu versprühen gibt. Er kurbelt das Fenster wieder hoch und schaltet das Radio ein.
Natürlich weiß er, wie Diego tickt. Diego wird niemals aufgeben. Ian kann nur hoffen, dass sein Vorsprung groß genug ist – dass er getan haben wird, was er tun musste, wenn Diego ihn schließlich einholt. Er will nicht auch noch seinen Kumpel in Gefahr bringen. Er will nicht, dass noch ein Mensch das Schicksal von Bill Finch und Chief Davis teilen muss.
Genauso wenig wie er will, dass ein anderer Mensch das Schicksal von ihm selbst teilen muss.
Diego ist ein netter Kerl. Er liebt seine Frau, seine Frau liebt ihn, gemeinsam ziehen sie einen wundervollen Jungen groß. Und das soll er auch bleiben – ein netter Kerl mit Frau und Kind. Deshalb muss er sich von Ian fernhalten. Das heißt, Ian muss ihn von sich fernhalten. Zumindest bis er sich um Henry gekümmert hat.
Gestern Nacht, als er begriffen hat, wie weit er mit Donald gehen würde – bis zum Äußersten –, war ihm klar, dass er sich damit gegen Dinge entschieden hat, an die er sein ganzes Leben lang geglaubt hat und an die er nach wie vor glaubt. Aber das war ihm egal, und es ist ihm immer noch egal. Er war überzeugt, dass Donald etwas verbarg, und er war bereit, alles zu tun, um ihn zum Reden zu bringen. Ihm war bewusst, welchen Preis er dafür zu zahlen hatte, und er wollte ihn zahlen. In den nächsten Stunden und Tagen wird er einen noch höheren Preis zahlen müssen, und auch den wird er gerne zahlen. Er wird Maggie zurückbekommen. Ihr gemeinsames Leben wird er nicht zurückbekommen, nicht mehr, aber auch das ist ihm mittlerweile egal. Wenigstens wird sein Leben wieder Bedeutung haben.
Ian betrachtet das menschenleere Land zu beiden Seiten der Straße. Er stellt sich vor, wie seine Tochter auf dem freien Feld steht, in einem gelben Kleid, den Wind im goldenen Haar. Seine Tochter auf dem freien Feld, sonst nichts. Sie ist wunderschön. Sie ist alles, was es jemals gegeben hat. Alles andere, die ganze beschissene Welt, ist bedeutungslos, alles andere verschwindet hinter ihren grünen Augen. Alles, was er jemals gebraucht hat, sind fünf Worte aus ihrem Mund: Ich hab dich lieb,
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