Cop
eigene Sonne. Und wer weiß, vielleicht hat sie da wirklich eine Sonne.
»Daddy!« Sie winkt ihm zu. Hoffentlich schaut er in den Rückspiegel.
Noch einen Schlag auf den Hinterkopf. »Ich werd gleich wirklich sauer, Sarah.«
Aber das kümmert sie nicht. »Ich hab dir doch gesagt, dass er mich holen kommt. Ich hab’s dir gesagt! «
Dieses vorlaute Gör. Was fällt ihr ein, so mit ihm zu reden? Wenn Beatrice nicht wäre, würde er sie einfach abknallen. Abknallen und irgendwo am Straßenrand verscharren. Das kleine Miststück macht ihm nichts als Ärger. Wegen ihr musste er Chief Davis und diesen Typen vom County, Bill Finch, umbringen, wegen ihr musste er Flint und Naomi umbringen, wegen ihr mussten sie überhaupt erst fliehen. Alles wegen dem kleinen Mistding. Sarah ist schuld, Sarah und niemand anders, und dafür muss sie eigentlich bezahlen. Sie hat es nicht anders verdient.
Wenn Beatrice nicht wäre, würde sie dafür bezahlen.
Bösartige Welpen muss man erschießen, hat ihm sein Dad einmal erklärt, während er ihm seine .22er in die Hand drückte, sonst beißen sie einem irgendwann die Finger ab. Besser gleich abschlachten, bevor ein großer, böser Hund draus wird. Und deshalb kümmern wir uns jetzt um den hier. Ich geh schon mal den Spaten holen.
Wenn Beatrice nicht wäre, würde er keine Sekunde zögern. Sarah ist ein bösartiger Welpe, falsch und niederträchtig. Aber das kapiert Beatrice nicht. Beatrice ist eine Frau, und wenn Frauen etwas Kleines, Süßes sehen, wollen sie es sofort in den Arm nehmen. Sie verstehen einfach nicht, dass auch Kleines und Süßes gefährlich sein kann und dann eben besser tot ist.
Er kann es immer noch nicht fassen, dass dieses Arschloch von Ian Hunt sie gefunden oder zumindest herausgefunden hat, wo sie hinwollen. Er muss sie überholt haben, während Henry die früheren Besitzer seines neuen Pick-ups begraben hat. Eigentlich gibt es nur eine Person, die dem Wichser gesagt haben kann, wo er hinwill: Donald. Aber Donald würde ihn niemals verraten. Henry war wie ein Vater für ihn, und nach Dads Schlaganfall – Donald war da erst sieben Jahre alt – war er quasi wirklich sein Vater. Nein, Donald würde ihn niemals verraten. Egal, womit sie ihm drohen. Er würde sich alles anhören, die Bullen ausdruckslos anstarren und nichts, gar nichts sagen.
Außer sie haben ihm nicht nur gedroht.
Aber Hunt ist doch ein Cop.
Ein Cop, der sich im Moment nicht gerade wie ein Cop benimmt. Was kurvt er hier im eigenen Wagen rum, mutterseelenallein, und kein Kollege weit und breit?
Wenn die Polizei wüsste, wo er und Bee hinwollen, wäre die Straße voll mit Streifenwagen. Er hätte sie längst gesehen, er hätte sie gesehen und sich irgendwo verkrochen. Oder sie hätten ihn zuerst gesehen. Dann hätten sie ihr Blaulicht eingeschaltet, und er würde sich jetzt eine halsbrecherische Verfolgungsjagd mit ihnen liefern, falls er nicht schon längst im Knast oder über alle Berge wäre. Oder er wäre in eine Straßensperre geraten. Auf jeden Fall wäre irgendwas passiert. Aber es ist nichts passiert, anscheinend haben die Bullen keine Ahnung. Ganz im Gegensatz zu Ian Hunt.
Donald hätte ihn niemals verraten. Außer …
Ian Hunt hätte mit Sicherheit seine Kollegen informiert. Außer …
»Dieser verdammte Hurensohn.«
»Henry.«
»Halt die Klappe, Bee.«
Kurz schaut sie ihn an, bevor sie wieder auf ihren Schoß starrt. Sie streicht ihr Kleid glatt, bis alle Falten verschwunden sind, und mustert ihre Handrücken, als würde sie sie zum ersten Mal sehen. Seit gestern Abend benimmt sie sich überhaupt seltsam. Sie ist nicht mehr die Alte. Vor Beatrice hat er sich nie verstellt, er hat ihr immer sein wahres Gesicht gezeigt, doch seine dunkelste Seite hat sie nie kennengelernt. Bis gestern Abend. Sie hat ihn immer bedingungslos geliebt, trotz seiner Nächte in der Ausnüchterungszelle und obwohl er sie manchmal ein bisschen zu hart angepackt hat, wenn er mal wieder ausgerastet ist. Aber ob sie den gestrigen Abend verkraften wird? Henry ist sich nicht sicher. Sie musste alles mit ansehen, sie kann sich nicht länger einreden, sie hätte nichts mitbekommen oder nichts begriffen – es könnte wirklich zu viel für sie gewesen sein.
Letzte Nacht im Bett, als sie in der Dunkelheit nebeneinander gelegen haben, hat er gespürt, dass sie nicht zur Ruhe kam. Sie hat den Mund gehalten, aber er hat es gespürt, und er spürt es auch jetzt. Sie schweigt, und das gefällt ihm nicht. Es macht ihn
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