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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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am
Wegesrand und verrenkte sich den Hals, um hinter das Geheimnis der flammenden
Farben zu kommen. Sie erbleichte fast vor Entsetzen, als er ihr vorschlug, doch
einfach hinzugehen und die Sache aus der Nähe zu betrachten. Jade würde wohl
nie einen Fuß über die Grenze zum Verbotenen setzen, stattdessen zitierte sie
die Generalgebote. Da auf einmal drängte sich Hyazinth dieser beunruhigende
Vergleich auf, vom Wege, der zwar sicher ans Ziel führt, aber wie ein öder und
langweiliger Tunnel durch ein Felsmassiv ist. Wenn man, statt den Tunnel zu
passieren, die Mühsal auf sich nähme, den Berg zu erklimmen – vielleicht sähe
man von seinem Gipfel aus gänzlich neue Verlockungen, die das anfängliche Ziel
klein und unbedeutend erscheinen ließen? Ob es deshalb verboten ist, vom Wege
abzuweichen?
    Hyazinth bannt diese Vorstellung
flink aus seinen Gedanken. Wenn man gebraucht wird, erfüllt man seine
Pflicht   – er kehrt zum Ausgangspunkt,
auf den Weg der Lehre zurück. Ob der Exarch    ihm eine Aufgabe übertragen will? Schließlich muß es doch Folgen haben,
daß der beste Schüler Opals alle Weihen vor der Zeit erhielt.
    Vor ihm öffnet sich eine Tür zu
einem Raum, der verblüffend dem medizinischen Komplex seiner ehemaligen
Lebensquelle ähnelt. Zwei Ärzte, ein junger, finster dreinschauender Mann und
eine ältere, ausgesprochen hübsche Frau mit einem frech um den Kopf gewickelten
Zopf aus bleigrauem Haar, die ihn ungeniert mustert, nehmen ihn in Empfang.
    “… das muß ein Irrtum sein… ich…
ich soll doch zum Exarchen    !” stottert
Hyazinth vor Verwirrung.
    “Frohe Umkehr, Hyazinth Blume”,
grüßt der junge Arzt kühl, die Frau nimmt ihn am Arm und schiebt ihn zum
Eingang des Diagnosekomplexes.
    “Frohe Umkehr”, antwortet er
automatisch. Die Frau bedeutet ihm, sich auszukleiden und auf den Schlitten zu
legen, der ihn durch die enge Röhre des Apparates transportieren würde. Jetzt
faßt sich Hyazinth ein Herz.
    “Aber nein doch! Ich habe eine
Audienz bei Korund Stein”, er zögert eine Winzigkeit und fügt dann
sicherheitshalber hinzu, schließlich befindet er sich ja im Kegelturm der Hohen
Exarchie: “Bei unserem geliebten Ehrenmärtyrer!”
    “Ausziehen!” befiehlt der junge
Arzt trocken.
    “Hören Sie, ich darf mich nicht
verspäten! Es wird sich schon alles aufklären!”
    “Meine Güte, ist der blöd!”
knurrt der junge Arzt verärgert, die Ärztin aber gibt ihm schnell ein Zeichen,
mit einem Ausdruck im Gesicht, als wolle sie ihren Kollegen warnen. Der scheint
auch sofort zu verstehen und zwingt sich ein freundliches Lächeln ins Gesicht.
Hyazinth aber begreift nicht im mindesten, vorsichtshalber aber lächelt er
auch. Die anderen beiden schauen ihn bestürzt an und wechseln dann einen
ungeheuer bedeutsamen Blick, dessen Bedeutung Hyazinth aber ebenso verborgen
bleibt wie der Sinn der anscheinend bevorstehenden Untersuchung.
    Die Frau erklärt ihm milde: “Das
ist Pflicht Hyazinth Blume, wußtest du das nicht?”
    Es ärgert ihn ein wenig, daß sie
ihn so einfach duzt. So wie sie es sagt, ist es nicht eine Gleichstellung,
sondern viel mehr eine Demonstration unausgesprochener Überlegenheit.
    “Nein, das wußte ich nicht,
erkläre mir den Sinn!” fordert er barsch. Seltsamerweise hinterläßt der
schroffe, ihm kaum zustehende Ton spürbar Wirkung. Die Ärztin senkt einen
Augenblick den Kopf als müsse sie nachdenken, dann blickt sie ihn an, und
Hyazinth fühlt den Blick, der gerade noch wie eine grobe Hand über seinen
Körper glitt, mit Macht in sein Inneres dringen.
    “Du warst also noch nie bei
Korund?” fragt sie fassungslos. Hyazinth wird es wieder sehr ungemütlich. Sind
denn hier alle verrückt?   Allmählich
packt ihn wieder dieses rätselhafte Gefühl, Objekt geheimnisvoller,
beängstigender Ereignisse zu sein. Irgendwie scheinen alle zu glauben, oder gar
zu wissen, daß Hyazinth Blume etwas anderes sei als einfach nur Hyazinth Blume:
Opal, Sirrah, die Frau vom Kurierdienst, auch die Protektoren haben ihn so
seltsam angesehen. Und nun die Ärztin.
    “Zum gestrigen Abendmahl konnte
ich nicht, da hatte ich eine Verabredung mit sieben Mädchen aus der
Mittelstufe, aber sonst war ich immer pünktlich”, antwortet er giftig, und noch
in derselben Sekunde durchfährt ihn ein heftiger Schreck: Bin ich denn von
allen guten Geistern verlassen? Wie kann ich denn im Zusammenhang mit dem
obersten Repräsentanten der DTEA einen solch geschmacklosen Witz machen?!

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